Entscheidungsstichwort (Thema)

Doppelberücksichtigung von Entfernungskilometern für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und Familienheimfahrten mit dem Dienstwagen als abziehbar keine offenbare Unrichtigkeit oder neue Tatsache

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Beruht eine Einkommensteuerfestsetzung auf der fehlerhaften rechtlichen Würdigung der doppelten Abziehbarkeit von Entferungskilometern für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch den Steuerpflichtigen, liegt keine zur Korrektur des bestandskräftigen Bescheids berechtigende offenbare Unrichtigkeit gem. § 129 AO vor, sondern ein Ermittlungsfehler des Finanzamts.

2) Hat das Finanzamt gewusst, dass die Fahrten zwischen Zweitwohnsitz in der Nähe der Arbeitsstätte und der Arbeitsstätte mit einem Dienstwagen durchgeführt wurden, bedeutet dies auch, dass die Familienheimfahrten mit dem Dienstwagen durchgeführt worden sind, sofern kein abweichender Sachverhalt festgestellt ist. Deshalb liegt keine "neue" Tatsache vor, die zur Änderung des bestandskräfigen Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO berechtigte.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 129

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte Änderungsbescheide nach § 129 bzw. § 173 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) erlassen durfte.

Die Kläger sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger ist als Niederlassungsleiter einer Spedition nichtselbständig tätig. Er führt einen beruflich veranlassten doppelten Haushalt. Neben seinem Wohnsitz in M-Stadt unterhält er am Beschäftigungsort in C-Stadt seit November 2003 eine Zweizimmerwohnung. Die Entfernung zwischen M-Stadt und C-Stadt beträgt 281 km.

Für die Streitjahre 2004 und 2005 beantragte der Kläger, Aufwendungen für tägliche Fahrten zwischen der Zweitwohnung und der Arbeitsstätte sowie für wöchentliche Fahrten zwischen der Erstwohnung und der Arbeitsstätte (Fahrten Wohnung und Arbeitsstätte sowie Familienheimfahrten im Rahmen von Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung) als Werbungskosten zu berücksichtigen. Im Einzelnen:

In der Steuererklärung für das Streitjahr 2004 gab der Kläger auf Seite 2 der Anlage N, Zeile 32, an, für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen Firmenwagen genutzt zu haben. Weiterhin erklärte er, an 221 Tagen im Jahr eine Strecke von 5 Kilometern (Zeile 36) und an 48 Tagen im Jahr eine Strecke von 281 Kilometern (Zeile 37) als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurückgelegt zu haben. Darüber hinaus erklärte der Kläger auf der selben Seite seiner Steuererklärung Fahrtkosten als Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 4.047,00 Euro (48 Fahrten × 281 km). Als Anlage zur Anlage N reichte der Kläger eine Excel-Tabelle ein, mit welcher er die Familienheimfahrten (unterteilt in „Hinreise” und „Rückreise”) aufschlüsselte. Nach seinen Ausführungen ergaben sich in der Summe 48 „Hinreisen” und 48 „Rückreisen”.

Für das Streitjahr 2005 gaben die Kläger eine elektronische Steuererklärung (ELSTER) ab. Hinsichtlich der Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gab der Kläger an, sowohl mit einem privaten Pkw als auch mit einem Firmenwagen gefahren zu sein. Er erklärte weiterhin, an 238 Tagen im Jahr eine Strecke von 5 Kilometern (Zeile 45) und an 47 Tagen im Jahr eine Strecke von 281 Kilometern (Zeile 46) als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurückgelegt zu haben. Darüber hinaus erklärte er u. a. 47 Familienheimfahrten (á 281 km) als Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung. In Ergänzung zur Anlage N reichte er wiederum eine Excel-Tabelle ein, aus welcher sich sämtliche Fahrten (Hin- und Rückfahrten) zwischen Erstwohnung und Arbeitsstelle ergeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die für die Streitjahre eingereichten Steuererklärungen nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Der Beklagte veranlagte die Kläger wie erklärt und übernahm dabei die Angaben zu den Werbungskosten des Klägers ungeprüft. Die Einkommensteuerbescheide vom 06.05.2005 (2004) sowie vom 19.10.2006 (2005) wurden bestandskräftig.

Der für die Veranlagung 2006 zuständige Sachbearbeiter bemerkte schließlich, dass die Fahrten zwischen M-Stadt und C-Stadt doppelt, d. h. die tatsächlich gefahrenen Kilometer und nicht die Entfernungskilometer berücksichtigt worden waren. Der Beklagte erließ daraufhin am 30.07.2007 nach § 129 AO berichtigte Änderungsbescheide.

Mit den hiergegen am 07.08.2007 eingelegten Einsprüchen vertraten die Kläger die Auffassung, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 129 AO nicht vorlägen. Die ursprünglichen Bescheide vom 06.05.2005 bzw. 19.10.2006 enthielten weder einen Schreibfehler noch einen Rechenfehler und auch keine einem Schreib- oder Rechenfehler „ähnliche offenbare Unrichtigkeit”. Auch seien die Angaben der Kläger aus den Steuererklärungen fehlerfrei erfasst worden. Es sei keine Angabe übersehen, doppelt erfasst oder versehentlich bei Eingabe in die EDV falsch zugeordnet worden. Soweit der Kläger unzutreffende Angaben zu den Fahrtkosten gemacht habe, sei das nicht ohne genauere P...

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