Entscheidungsstichwort (Thema)

Begünstigung des Betriebsvermögens, Vollverschonung, Vorläufigkeitsvermerk, rückwirkendes Ereignis

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der im Hinblick auf die nach einem BVerfG-Urteil zu erwartende Neuregelung des ErbStG in einen Bescheid über Schenkungsteuer aufgenommene Vorläufigkeitsvermerk umfasst nicht auch die Möglichkeit einer nachträglichen Wahlrechtsausübung auf Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG.

2) Ergibt sich aus dem gewählten Vorläufigkeitsvermerk hinreichend klar, dass das Finanzamt die Bestandskraft nur für den Fall offenhalten wollte, dass sich die für den Streitfall geltende Rechtslage aufgrund einer Entscheidung des BVerfG ändert, gilt die Durchbrechung der Bestandskraft nur für eine etwaige gesetzliche Neuregelung. Die Bestandskraft wird damit nicht auch für einen Antrag auf Vollverschonung durchbrochen, da dieser Antrag gerade nicht auf der gesetzlichen Neuregelung, sondern auf dem geltenden Recht basiert.

3) Eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO scheidet aus, da die Feststellung von Wertansätzen bzw. das Nichtüberschreiten der 10 % -Grenze für Verwaltungsvermögen kein rückwirkendes Ereignis i.S.d. Norm ist.

 

Normenkette

AO § 165 Abs. 2, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; ErbStG a.F. § 13a Abs. 8

 

Tatbestand

Streitig ist, bis wann der Antrag auf Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der für den Streitfall geltenden Fassung gestellt werden kann.

Dem Kläger sind von seinem Vater, C 2, auf den 10.10.2012 Gesellschaftsanteile unentgeltlich übertragen worden, und zwar an

  • der GmbH & Co. KG 1,
  • der GmbH & Co. KG 2,
  • der GmbH & Co. KG 3,
  • der GmbH & Co. KG 4 und
  • der GmbH 1.

Der Schenker behielt sich den lebenslangen Nießbrauch an 25 % der auf die übertragenen Mitunternehmeranteile entfallenden Gewinne vor.

Wegen der Einzelheiten wird auf den privatschriftlichen Anteilsübertragungsvertrag vom 01.10.2012, den Vertrag vom 10.10.2012 (URNr. /2012 des Notars O in A) und die Anzeige des Klägers gemäß § 30 ErbStG vom 12.11.2012 Bezug genommen.

In der Schenkungsteuererklärung, die der Kläger im März 2013 eingereicht hatte, sind die gemeinen Werte der Anteile wie folgt erklärt:

– GmbH & Co. KG 1

X Euro

– GmbH & Co. KG 2

X Euro

– GmbH & Co. KG 3

X Euro

– GmbH & Co. KG 4

X Euro.

Die Quote des Verwaltungsvermögens ist in der Ergänzungsliste zur Schenkungsteuererklärung –Zeilen 40 – 47– wie folgt angegeben:

– GmbH & Co. KG 1

bis zu 10 %

– GmbH & Co. KG 2

0 %

– GmbH & Co. KG 3

0 %

– GmbH & Co. KG 4

0 %.

Der Kapitalwert des Nießbrauchs ist mit X Euro berechnet.

In der „Anlage Steuerentlastung für Unternehmensvermögen (§§ 13a, 13b ErbStG)” wird in Zeile 14 danach gefragt, ob zu einer vollständigen Steuerbefreiung nach § 13a Abs. 8 ErbStG optiert werde. Es heißt weiter, dass das Wahlrecht unwiderruflich ist und nur einheitlich für das gesamte begünstigte Vermögen ausgeübt werden kann. Für den Fall, dass die Frage bejaht wird, ist in Zeile 15 „ja” anzukreuzen und eine schriftliche Erklärung nach § 13a Abs. 8 ErbStG beizufügen. Es ist weder „ja” angekreuzt noch fügte der Kläger einen Antrag auf vollständige Steuerbefreiung nach § 13a Abs. 8 ErbStG bei.

Dementsprechend gewährte der Beklagte im Schenkungsteuerbescheid vom 11.12.2013 einen Verschonungsabschlag in Höhe von 85 Prozent für die übertragenen Kommanditbeteiligungen. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) und enthielt einen Vorläufigkeitsvermerk mit folgendem Wortlaut:

„Die Festsetzung der Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) ist gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes vorläufig. Entsprechendes gilt für Festsetzungen nach dem 31. Dezember 2006 und vor dem 01. Januar 2009 entstandener Erbschaftsteuer, in denen die Anwendung des ab 2009 geltenden Rechts beantragt wurde (Art. 3 Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24. Dezember 2008). Die Vorläufigkeitserklärung erfolgt lediglich aus verfahrenstechnischen Gründen. Sie ist nicht dahin zu verstehen, dass das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz als verfassungswidrig angesehen wird. Sollte aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts diese Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern sein, wird die Aufhebung oder Änderung von Amts wegen vorgenommen; ein Einspruch ist daher insoweit nicht erforderlich.”

Der Beklagte änderte aus hier nicht streitigen Gründen den Schenkungsteuerbescheid und setzte die Schenkungsteuer auf X Euro fest. Der Bescheid erging weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Er enthielt einen Vorläufigkeitsvermerk, der dem bisher dem Bescheid beigefügten Vorläufigkeitsvermerk wörtlich entsprach. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 24.02.2014 Bezug genommen.

Der Beklagte änderte den Schenkungsteuerbescheid sodann erneut, ebenfalls aus hier nicht streitigen Gründen und setzte die Schenkungsteuer auf X Euro herab. Den Vorbehalt der Nachprüfung...

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