Entscheidungsstichwort (Thema)

GF-Haftung einer österreichischen GmbH nach Durchführung eines zwischenstaatlichen Verständigungsverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Geschäftsführer einer österreichischen GmbH begeht keine Pflichtverletzung i. S. des § 69 AO aus der mangelnden Vorhaltung von Rücklagen zur Erfüllung deutscher Steuerverbindlichkeiten, wenn sich erst nach Durchführung eines zwischenstaatlichen Verständigungsverfahrens mit der Folge einer Doppelbesteuerung herausstellt, dass sich die Geschäftsleitung der GmbH in Deutschland befand.

 

Normenkette

AO §§ 69, 191; DBA Österreich Art. 4, 23; AO § 34

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids für Körperschaftsteuer der Streitjahre 2001 bis 2005.

Die Klägerin war seit dem 22.11.2000 Geschäftsführerin der nach österreichischem Recht gegründeten und im österreichischen Handelsregister eingetragenen X. GmbH (nachfolgend: „GmbH”). Die Geschäftsadresse der GmbH lautete N. Str. 01 in … Wien/Österreich. Gegenstand des Unternehmens der GmbH war der Handel mit …. Alleinige Gesellschafterin der GmbH war die in der Schweiz ansässige Y. AG. Die GmbH war nach österreichischem Recht körperschaftsteuerpflichtig und erhielt für die Jahre 2001 bis 2004 vom Finanzamt Wien Körperschaftsteuerbescheide, mit denen die österreichische Körperschaftsteuer auf 25.490,72 EUR, 33.608,– EUR (2002), 46.384,37 EUR (2003) und 57.890,11 EUR (2004), zusammen 163.373,20 EUR festgesetzt wurde. Die GmbH war auf dem deutschen Markt tätig.

Die Finanzverwaltung führte Ermittlungen über die Geschäftstätigkeit der GmbH in Deutschland durch, und zwar im Rahmen einer Betriebsprüfung und einer Steuerfahndungsprüfung. Die Steuerfahndungsprüfung richtete sich gegen den in A. wohnhaften Herrn S. L., der in A. für die GmbH tätig gewesen und faktisch deren Leitung übernommen haben soll. Zudem führte die Finanzverwaltung eine Betriebsprüfung bei der in A. ansässigen Z. GmbH & Co. KG (nachfolgend: „KG”) durch, deren alleinige Kommanditistin die Y. AG war. Komplementärin war die Z. – Gesellschaft für … mbH, deren alleiniger Geschäftsführer Herr J. L., der Bruder des Herrn S. L., war. Herr S. L. soll wiederum als Berater der KG tätig gewesen sein.

In der Folge dieser Prüfungen vertrat der Beklagte die Auffassung, dass ab dem 1.10.2000 die tatsächliche Geschäftsleitung der GmbH nicht in Wien gewesen sei, sondern in A.. Die Entscheidungen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung seien ausschließlich von Herrn S. L. gezeichnet worden, die übrige Tätigkeit der GmbH sei durch Mitarbeiter der KG erledigt worden. Die laufende Post der GmbH sei, soweit sie an die Wiener Anschrift adressiert gewesen sei, an die Büroräume der KG in A. weitergeleitet worden. Auch die unter der Telefonnummer der GmbH auflaufenden Telefonate seien auf die Telefonnummer der KG umgeleitet worden. Die Klägerin habe demgegenüber keine Weisungen im Rahmen einer Geschäftsleitung erteilt. Hierdurch sei die GmbH in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig.

Der Beklagte erließ deshalb am 9.2.2007 Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2001 bis 2005, in denen er die Körperschaftsteuer auf 23.482 EUR (2001), 29.210 EUR (2002), 42.929 EUR (2003), 37.128 EUR (2004) und 22.277 EUR (2005) festsetzte. Er gab die Bescheide bekannt unter Verwendung der Adresse der GmbH in Wien. Die Bescheide für 2004 und 2005 standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 der AbgabenordnungAO –. Die Besteuerungsgrundlagen ermittelte er für die Jahre 2001 bis 2003 anhand der österreichischen Handelsbilanzen der GmbH, während er für die Jahre 2004 und 2005 eine Vollschätzung anhand der Umsatzsteuervoranmeldungen vornahm, auf die er eine aus dem Jahr 2003 abgeleitete Umsatzrendite (11,84 %) anwandte und weiterhin noch Auslandsumsätze hinzuschätzte. Zudem berücksichtigte er verdeckte Gewinnausschüttungen, die aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag der GmbH mit der Y. AG vom 15.12.2000 entstanden sein sollen, und zwar i.H.v. 33.149,12 EUR (2001), 41.887,94 EUR (2002) und 58.902,73 EUR (2003). Bei diesen Zahlen handelte es sich um die vollständige erfolgsabhängige Vergütung i.H.v. 30 % vom Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit, welche nach dem Vertrag von der GmbH an die Y. AG zu zahlen war. Die Annahme der verdeckten Gewinnausschüttungen begründete der Beklagte damit, die Vereinbarung sei unter fremden Dritten in dieser Form nicht abgeschlossen worden, sondern nur eine Entgeltvereinbarung auf Stundenbasis wäre fremdüblich gewesen. Außerdem sei das Geschäftsbesorgungsentgelt der Jahre 2001 bis 2003 erst im Jahr 2005 gezahlt worden. Daher sei die gesamte vertraglich geschuldete Vergütung als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen.

Noch bevor die Körperschaftsteuerforderungen gegen die GmbH am 10.4.2007 fällig wurden, setzte der Beklagte am 30.3.2007 die Vollziehung dieser Bescheide ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über die gegen diese Bescheide eingelegten Einsprüche aus.

Aufgrund der Einsprüche der GmbH erlie...

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