Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn der Festsetzungsfrist - Umdeutung in Haftungsbescheid auf anderer gesetzlicher Grundlage

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Für den Beginn der Festsetzungsfrist für den Erlass eines Haftungsbescheides kommt es nicht auf den Zeitpunkt an, in dem endgültig feststeht, dass das Finanzamt mit seinen Steuerforderungen ausfallen wird; entscheidend ist allein die Abgabe der der unrichtigen Erklärungen und die Nichtzahlung der Steuer zum gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt.

2) Die Umdeutung eines Haftungsbescheides auf Grundlage des § 69 AO in einen solchen nach § 70 AO ist im gerichtlichen Verfahren nicht möglich.

 

Normenkette

AO §§ 5, 69-70, 169 Abs. 2 S. 2, § 191 Abs. 3, § 171 Abs. 10, § 191 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Finanzamt (FA) die Klägerin (Klin.) zu Recht für rückständige und nicht beitreibbare Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und hierauf entfallende Nachzahlungszinsen gemäß § 233a Abgabenordnung (AO) der X.-GmbH mit früherem Sitz in H. (GmbH) als Haftungsschuldnerin in Anspruch genommen hat.

Der Ehemann der Klin., I. Q1., war bis zum 13.05.1992 an dem bis zu diesem Zeitpunkt 50.000 DM umfassenden Stammkapital der GmbH als alleiniger Gesellschafter beteiligt, ab dem 14.05.1992 waren nach Aufstockung des Stammkapitals auf 100.000 DM er sowie die Klin. zu je 50 v.H. beteiligt. Beide waren jeweils als die allein vertretungsberechtigten Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen. Die Gewinne der GmbH wurden gemäß § 8 Körperschaftsteuergesetz (KStG) in Verbindung mit § 5 Einkommensteuergesetz (EStG) durch Bilanzierung ermittelt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 04.09.2001 – Az.: … IN …/01 – wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels Masse abgelehnt. Die Gesellschaft war dadurch aufgelöst (vgl. Eintragungsnachricht des Amtsgerichts C. vom 22.11.2001 zu Geschäfts-Nr. HRB …).

Für die Jahre 1990 bis 1997 war die GmbH auf der Grundlage ihrer Erklärungen zur Körperschaftsteuer sowie für die Jahre 1992 bis 1994 auf der Grundlage ihrer Erklärungen zur Umsatzsteuer (USt) veranlagt worden. Die auf dieser Basis festgesetzten Steuern waren gezahlt worden.

Im Jahr 1996 führte das FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (StrafaFA N.) bei der GmbH auf der Grundlage des § 208 Abs. 1 Satz 1 AO eine Fahndungsprüfung durch. Dabei wurde u.a. festgestellt, dass in den Jahren 1991 bis 1995

  • von Bauherren im Zusammenhang mit der Erbringung von Bauleistungen durch die GmbH zusätzliche Zahlungen außerhalb der Kaufpreisvereinbarungen an die Gesellschafter der GmbH (Kl. sowie Ehefrau) erbracht waren, die als verdeckte Gewinnausschüttungen (vgA) zu erfassen waren (T., H1., Q2., I1. und E.),
  • an Arbeitnehmer über die angemeldeten und abgeführten Beträge hinaus Schwarzlöhne bezahlt waren, ohne dass diese verbucht waren,
  • sowie dass im Privathaushalt der Klin. und ihres Ehemanns eine Haushälterin beschäftigt war, die von der GmbH entlohnt worden war.

Zur Abgeltung eventueller Unsicherheiten über die wirkliche Höhe der Vereinnahmungen waren angesichts der nicht beweiskräftigen Buchführung Zuschätzungen vorzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht vom 24.02.1999 über die steuerlichen Feststellungen des StrafaFA verwiesen (Bl. 65 ff. GA).

Hierdurch kam es zu höheren Festsetzungen betreffend die Körperschaftsteuer (KSt) der Jahre 1991 bis 1995 sowie – weil ein bisher aus dem Jahr 1992 stammender Verlustrücktrag nach 1990 nicht mehr zu berücksichtigen war – zu einer erstmaligen Festsetzung von KSt für 1990. Außerdem waren für 1997 entgegen der ursprünglichen Erklärung höhere KSt festzusetzen. Schließlich waren die bisherigen USt'n der Jahre 1992 bis 1994 zum Nachteil der GmbH zu ändern.

Nach Auffassung des Prüfers hatte die Klin. als verantwortliche Geschäftsführerin der GmbH hinsichtlich der vorgenannten zu den höheren Steuerfestsetzungen führenden Vorgänge bei Abgabe der Steuererklärungen unrichtige Angaben über die in Wahrheit bei der GmbH gegebenen steuerlich erheblichen Tatsachen gemacht und hatte dadurch die KSt der Jahre 1990 bis 1995 sowie die USt der Jahre 1992 bis 1994 bei der GmbH verkürzt. Aus diesem Grund war von einer zehnjährigen Festsetzungsfrist – vgl. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO – auszugehen, die im Zeitpunkt der Beendigung der Prüfung im Jahr 1999 noch nicht abgelaufen war.

Das FA folgte dem Vorschlag des Prüfers und setzte für die Jahre

1990

1991

1992

1993

1994

1995

mit Änderungsbescheiden vom

01.06.1999

01.06.1999

01.06.1999

01.06.1999

01.06.1999

01.06.1999

die KSt auf

DM

DM

DM

DM

DM

DM

fest.

Nachzahlung

DM

DM

DM

DM

DM

DM

sowie für die Jahre

1990

1991

1992

1993

1994

1995

mit Änderungsbescheiden vom

04.06.1999

04.06.1999

04.06.1999

die USt auf

DM

DM

DM

fest.

Nachzahlung

DM

DM

DM

Außerdem setzte das FA für 1997 die KSt mit Bescheid vom 08.06.1999 auf … DM fest. Dieser Betrag war auch nachzuzahlen.

Hiergegen legte die GmbH Einspruch ein. Im Rahmen dieses Verfahrens beantragte sie die Aussetzung der Vol...

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