Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Berücksichtigung eines langfristig erkrankten Kindes als Ausbildungsplatz suchend

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Kind, das in einem Maße langfristig, mithin nicht nur "zeitweise" bzw. "vorübergehend" erkrankt ist, dass nicht absehbar ist, ob sich der Gesundheitszustand soweit verbessern wird, dass es die Ausbildungssuche in näherer Zukunft wieder aufnehmen kann, kann nicht mehr als Ausbildungsplatz suchend nach den Maßstäben des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) EStG berücksichtigt werden; in Betracht kommt eine Berücksichtigung nach den Maßstäben des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4, § 63

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der am 00.00.19xx geborene Sohn U ein berücksichtigungsfähiges Kind i.S.d. §§ 63 Abs. 1, 32 Abs. 4 Satz 1 EStG ist.

Die Klägerin erhielt für ihren Sohn U. Kindergeld. Im „Antrag auf Weiterzahlung des Kindergeldes für ein volljähriges Kind” vom 03.11.2008 (Bl. 40 der Kindergeldakte / KgA) war angekreuzt, U. suche einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Zudem war eingetragen „Hat Bluthochdruck / Untersuchungen laufen noch”. Mit Bescheid vom 05.11.2008 (Bl. 45 KgA) gab die Beklagte dem Antrag statt und setzte zugunsten der Klägerin für U. ab Januar 2008 Kindergeld fest.

U. hatte nach Abschluss der Hauptschule ein Berufsgrundbildungsjahr der Fachrichtung Metalltechnik absolviert, welches in 2008 geendet hatte. Danach hatte er sich bei der Agentur für Arbeit als Bewerber um einen Ausbildungsplatz gemeldet. Als Ausbildungswunsch ist vermerkt „Maler/in und Lackierer/in – Gestaltung und Instandhaltung, Fachlagerist”.

Der Ärztliche Dienst der Agentur für Arbeit C. erstellte unter dem Datum 19.02.2009 ein Gutachten (Bl 61 KgA). Hierin wurde angegeben, dass U. trotz der Bluthochdruckerkrankung vollschichtig (tägl. 6 Std. und mehr) arbeitsfähig sei. Auszuschließen seien: Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten mit hohem Gefahrenpotential, Nachtschicht, arbeitsmedizinisch definierte Hitzearbeit, Absturzgefahr aus großer Höhe und Tätigkeiten mit erhöhter Eigen- und Fremdgefährdung. Weiter heißt es dort wie folgt:

„Im Mittelpunkt steht eine Bluthochdruckerkrankung, die bisher noch nicht befriedigend eingestellt ist. Hier berichtet der Patient über wiederholte Blutdruckkrisen mit Atembeschwerden und Schwindelsymptomatik, die ohne Bezug zur aktuellen Belastung mehrfach täglich aufträten. In diesem Zusammenhang sind regelmäßig hohe körperliche Belastungen und Tätigkeiten mit erhöhtem Gefahrenpotential derzeit nicht möglich. Unter Fortführung der begonnenen Therapie ist mit einer Verbesserung der Blutdruckregulierung mittelfristig zu rechnen, so dass die genannten Einschränkungen voraussichtlich abgemildert werden können. Ein genauer Zeitraum hierfür ist derzeit noch nicht absehbar.

Der Patient wünscht sich eine Tätigkeit als Autolackierer. Hierfür besteht ausreichende Leistungsfähigkeit. Bezüglich einer Tätigkeit als Maler und Lackierer allgemein ist eine Arbeit auf hohen Gerüsten derzeit noch nicht zu empfehlen. Ob dies im mittelfristigen Verlauf möglich wird, ist aus heutiger Sicht nicht abschließend beurteilbar. Eine Tätigkeit im Lager ist aufgrund der eingeschränkten körperlichen Belastbarkeit mit hohen Gewichten als ungünstig anzusehen, insbesondere das Heben großer Lasten in ungünstiger Körperhaltung ist dem Patienten derzeit nicht zuzumuten. Geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit wurden dem Patienten benannt. Zum Leistungsbild siehe oben.”

Zum 27.07.2009 wurde U. aus der Berufsberatung abgemeldet. Als letzter Kontakt ist der 16.04.2009 vermerkt (Bl. 63 KgA).

Mit Schreiben vom 06.09.2010 hörte die Beklagte die Klägerin in Bezug auf eine mögliche Aufhebung des Kindergeldes ab August 2009 an. Die Klägerin entgegnete mit Schreiben vom 10.09.2010 (Bl. 67 KgA) Folgendes:

„Die Berufsberaterin meines Sohnes, Frau J., hat U. aufgrund des Gutachtens des ärztlichen Dienstes aus dem Computer genommen. Sie sagte uns, dass U sich erst einmal um seine Gesundheit kümmern sollte. Auf Nachfrage, ob U. Nachteile dadurch entstehen können, sagte uns Frau J. nein. Dadurch habe ich nicht damit gerechnet, dass U. kein Kindergeld mehr zusteht, da er von keiner Behörde Geld bezieht.

P.S. U's Gesundheitszustand hat sich seit dem Tag des Gutachtens weiterhin verschlechtert.”

Ungeachtet dieser Einwendungen hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für U. mit Bescheid vom 13.10.2010 gem. § 70 Abs. 2 EStG ab August 2009 auf und forderte das für den Zeitraum August 2009 bis September 2010 bereits ausgezahlte Kindergeld i.H.v. 2.476 EUR gem. § 37 Abs. 2 AO von der Klägerin zurück (Bl. 73 KgA).

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren trug die Klägerin vor, sie sei zusammen mit U. beim Arbeitsamt gewesen. Frau J. habe ihr mitgeteilt, dass sie U. aufgrund seiner Krankheit aus dem Computer des Arbeitsamts nehme, „damit wir uns darauf konzentrieren können, die Ursache seines Leidens ausfindig machen zu können und währenddessen nicht perm...

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