Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch nach Ablauf der bisherigen, aber vor Gewährung einer erneuten Aufenthaltserlaubnis; Bindungswirkung eines bestandskräftigen Ablehnungsbescheides auf Gewährung von Kindergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Ein Ausländer hat einen Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Aufenthaltserlaubnis ist. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn der Aufenthalt des Ausländers bis zur Entscheidung über die beantragte Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 69 Abs. 3 AuslG gestattet ist.

2) Einem bestandskräftigen Bescheid, mit dem eine Kindergeldfestsetzung aufgehoben wird, kommt Bindungswirkung bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe zu.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 2, 2 S. 1, §§ 70, 70 Abs. 3; AuslG §§ 15, 69, 69 Abs. 3; EStG § 62

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Klägerin (Klin.) für die Zeit nach Ablauf der bisherigen Aufenthaltserlaubnis und vor Gewährung einer erneuten Aufenthaltserlaubnis Kindergeld zusteht.

Die Klin. hat die polnische Staatsangehörigkeit und lebt mit ihren minderjährigen Kindern E1. und E2. in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war im Besitz einer bis zum 12.01.02 befristeten Aufenthaltsgenehmigung gem. § 15 Ausländergesetz (AuslG). Noch vor deren Ablauf beantragte die Klin. die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, welche mit Wirkung ab 25.06.02 vom Ausländeramt der Stadt C1. gewährt wurde. In der Zwischenzeit war der Aufenthalt der Klin. in der Bundesrepublik nach § 69 Abs. 3 AuslG gestattet.

Die Klin. bezog ab Januar 2000 Kindergeld für ihre beiden Kinder. Im Hinblick auf die bis zum 12.01.02 befristete Aufenthaltserlaubnis hob der Beklagte (Bekl.) die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 19.03.02 ab Februar 2002 gem. § 70 Abs. 3 EStG auf. Der Aufhebungsbescheid wurde bestandskräftig.

Nachdem der Klin. die neue Aufenthaltsgenehmigung erteilt worden war, gewährte ihr der Bekl. mit Bescheid vom 08.07.2002 erneut Kindergeld ab Juni 2002. Gegen diesen Bescheid legte die Klin. Einspruch ein, mit dem sie die Festsetzung von Kindergeld auch für die Monate Februar, März und Mai 2002 begehrt.

Nach erfolglosem Ausgang des Einspruchsverfahrens (Einspruchsentscheidung vom 23.07.2002) verfolgt die Klin. ihr Begehren im Klageverfahren weiter. Sie macht geltend, auch in den streitigen Monaten im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen zu sein und verweist insoweit auf die Bescheinigung der Stadt C1. vom 15.07.02, Blatt 28 der Verwaltungsakte. Aus dieser ergibt sich, dass der Klin. für den Zeitraum 08.01.02 bis 08.07.02 eine Bescheinigung gem. § 69 Abs. 3 AuslG erteilt wurde.

Die Klin. beantragt sinngemäß,

unter der Änderung des Bescheids vom 08.07.2002 und der Einspruchsentscheidung vom 23.07.2002 den Bekl. zu verpflichten, ihr für die Monate Februar, März und Mai 2002 Kindergeld in Höhe von 924 Euro zu gewähren.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend, die Voraussetzung „Besitz” in § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG sei nur und erst dann erfüllt, wenn der Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung der gesetzlich vorgeschriebenen Art tatsächlich in den Händen halte, was bei der Klin. in den streitigen Monaten nicht der Fall gewesen sei. Die schlichte Duldung während des Beantragungsverfahrens reiche nach der Rechtsprechung des BFH (Beschlüsse vom 14.08.1997 – VI B 43/97, BFH/NV 1998, 169 und vom 01.12.1997 – VI B 147/97, BFH/NV 1998, 696) nicht aus.

Auch sei der Anspruch für März 2002 schon aus formellen Gründen zu versagen. Mit der Kindergeld-Aufhebung vom 19.03.2002 sei eine ablehnende Entscheidung bis einschließlich des Monats der Bekanntgabe dieses Bescheides getroffen worden (Hinweis auf BFH, Urteil vom 25.07.2002 – BStBl. II 2002, 88). Der erneute Antrag wirke daher nur bis zum Monat der Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides zurück.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage hat nur teilweise Erfolg.

1. Der Klin. steht für Mai 2002 Kindergeld in Höhe von 308,– Euro zu.

Nicht streitig ist, dass die Klin. gemäß den §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Nr. 1 und 32 Abs. 1 EStG für ihre beiden Kinder E1. und E2. grundsätzlich einen Anspruch auf Kindergeld hat.

Die Festsetzung des Kindergelds für Mai 2002 scheitert auch nicht an § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG. Nach dieser Vorschrift hat ein Ausländer nur dann Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist. Der Senat hält an seiner im Urteil vom 15.03.2002 (11 K 4607/01 Kg, EFG 2002, 927; Revision anhängig unter dem Aktenzeichen VIII R 85/02) vertretenen Auffassung fest, dass diese Voraussetzung auch dann erfüllt ist, wenn der Aufenthalt des Ausländers bis zur Entscheidung über die beantragte Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 69 Abs. 3 AuslG gestattet ist.

Nach § 15 AuslG wird die Aufenthaltsgen...

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