Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Kindergeldanspruch für Ausländer mit bloßer Aufenthaltsbefugnis

 

Leitsatz (NV)

1. Einem Ausländer, der im Zeitpunkt der Entscheidung über sein PKH-Gesuch lediglich eine Aufenthaltsbefugnis (§30 AuslG) besitzt, steht ein Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich auch dann nicht zu, wenn sein Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland aus humanitären Gründen geduldet wird, er und seine Kinder Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG nicht beziehen und ihm die Möglichkeit der Umwandlung seiner Aufenthaltsbefugnis in eine Aufenthaltsberechtigung oder -erlaubnis in Aussicht gestellt worden ist.

2. Eine Vorlage gemäß Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht kommt im summarischen Verfahren der Entscheidung über eine PKH-Beschwerde nicht in Betracht.

 

Normenkette

EStG 1996 § 62 Abs. 2 S. 1; BKGG § 1 Abs. 3 S. 1; AuslG §§ 30, 51; AsylVfG § 3; FGO § 142; ZPO § 117; GG Art. 100

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Antragstellerin, Klägerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) -- eine iranische Staatsangehörige -- und ihre drei im Haushalt wohnenden Kinder leben seit September 1987 auf der Grundlage einer Aufenthaltsbefugnis in der Bundesrepublik Deutschland. Einer der beiden bereits volljährigen Söhne befindet sich noch in der Schulausbildung (Fachoberschule), der andere ist zu 70 v. H. schwerbehindert.

Den im März 1996 eingereichten Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Kindergeld für ihre drei Kinder, in dem sie sich auf ihren Status als Konventionsflüchtling berief, lehnte der Antragsgegner, Beklagte und Beschwerdegegner (das Arbeitsamt) mit der Begründung ab, der Besitz einer bloßen Aufenthaltsbefugnis berechtige nach §62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. d. F. des Streitjahres nicht zur Inanspruchnahme von Kindergeld.

In seiner Entscheidung über den erfolglos eingelegten Einspruch führte das Arbeitsamt ergänzend aus, das von der Antragstellerin in Bezug genommene Rundschreiben des Bundesministeriums für Familie und Senioren (BMFuS) vom 6. Januar 1994 BMFuS -- 223 --2862 -- 2/BMI -- DII -- 4 -- 221972/1 (Gemeinsames Ministerialblatt -- GMBl -- 1994, 70) finde im Streifall keine Anwendung, weil die Antragstellerin nach einer beim Ausländeramt der Stadt A eingeholten Auskunft ihre Aufenthaltsbefugnis aufgrund des sog. Iranerlasses (vom 11. Oktober 1987 I C 4/43.23 -- I 4, Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen -- MinBl NW -- 1987, 1727) erhalten habe, ein Asylantrag mithin niemals gestellt worden sei und ihr Aufenthalt lediglich geduldet werde.

Zur Begründung ihrer hiergegen gerichteten Klage, mit der die Antragstellerin ihr Begehren weiter verfolgt, trägt sie insbesondere vor, ihre Aufenthaltsbefugnis beruhe nicht auf dem vorerwähnten (Iran-)Erlaß, sondern auf §30 des Ausländergesetzes 1990 (AuslG), und sei, da sie aus humanitären Gründen erteilt worden sei, der Aufenthaltsbefugnis eines Konventionsflüchtlings gleichzuerachten. Im übrigen sei das Ausländeramt bereit, ihre Aufenthaltsbefugnis in eine Aufenthaltserlaubnis umzuwandeln, sobald sie -- die Antragstellerin -- ein monatliches Familienerwerbseinkommen von mindestens 3 000 DM nachweisen könne.

Die gleichzeitig von der Antragstellerin für die Durchführung des Klageverfahrens begehrte Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des von ihr benannten Rechtsanwalts lehnte das Finanzgericht (FG) unter Hinweis auf die mangelnde Erfolgsaussicht dieser Klage ab.

Mit ihrer hiergegen eingelegten Beschwerde rügt die Antragstellerin, das FG habe verkannt, daß nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Entziehung des Kindergeldanspruchs für Ausländer nur mit der Verfassung zu vereinbaren sei, soweit sie durch einen entsprechend höheren Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ausgeglichen werde. Da sie -- die Antragstellerin -- Sozialhilfeleistungen für sich und ihre beiden gesunden Kinder nicht beantragt habe und deswegen nicht beziehe, könne bei ihr auch keine Kompensation des ab Januar 1994 angeordneten Kindergeldausschlusses stattfinden. Sie habe dadurch einen erheblichen Teil ihres Erwerbseinkommens zur Sicherung der Existenz für sich und ihre Kinder verloren. Die Rechtsprechung zu der hier streitigen Frage sei -- wie das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 29. August 1996 L 1 Kg 1280/96 (Beilage 1 zur Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1997, 8) zeige -- nicht einheitlich. Vorsorglich werde eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angeregt.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

ihr unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des FG PKH für die Durchführung des erstinstanzlichen Klageverfahrens zu bewilligen und ihr als Prozeßvertreter Herrn Rechtsanwalt X beizuordnen.

Das Arbeitsamt ist dem Rechtsmittelvortrag unter Hinweis auf die Begründung des finanzgerichtlichen Beschlusses entgegengetreten und beantragt,

die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat es das FG verneint, daß die von der Antragstellerin erhobene Klage die für die Gewährung von PKH hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. §114 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --).

1. Gemäß §62 Abs. 2 Satz 1 EStG in der ab 1. Januar 1996 geltenden Fassung hat ein Ausländer nur Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung (§27 AuslG) oder Aufenthaltserlaubnis (§15 AuslG) ist. Da die Antragstellerin lediglich über eine Aufenthaltsgenehmigung in Form der nicht in §62 Abs. 2 EStG aufgeführten Aufenthaltsbefugnis (§30 AuslG) verfügt, steht ihr ein Anspruch auf Kindergeld nicht zu. Daran ändert auch die ihr in Aussicht gestellte Möglichkeit nichts, die Aufenthaltsbefugnis bei Erreichen eines bestimmten Mindesteinkommens in eine Aufenthaltserlaubnis umwandeln zu lassen. Denn eine solche Umwandlung ist bisher nicht erfolgt.

2. Zwar gilt der grundsätzliche Ausschluß des Kindergeldanspruchs aufenthaltsrechtlich nur geduldeter Ausländer nicht für nach der Genfer Konvention (vom 1. September 1953, BGBl II 1953, 560 ff.) anerkannte Flüchtlinge und sonstige politisch Verfolgte i. S. des §3 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) i. V. m. §51 Abs. 1 AuslG (Gemeinsames Rundschreiben des BMFuS und des Bundesministeriums des Inneren vom 6. Januar 1994 BMFuS -- 223 -- 2862 -- 2/BMI -- DII -- 4 -- 221972/I, GMBl 1994, 70). Die Antragstellerin, die gemäß §117 Abs. 1 Satz 2 ZPO die hinreichende Erfolgsaussicht als Voraussetzung der PKH- Bewilligung zumindest schlüssig darlegen muß, hat jedoch weder substantiiert dem Vortrag des Arbeitsamtes widersprochen, sie habe nie einen Asylantrag gestellt, noch hat sie einen Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vorgelegt, durch den das Vorliegen der in §51 Abs. 1 AuslG normierten Voraussetzungen bestandskräftig festgestellt ist.

Zu Recht hat das FG auch eine kindergeldrechtliche Gleichbehandlung der Antragstellerin mit den nach der Genfer Konvention anerkannten Flüchtlingen abgelehnt. Insoweit wird auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Beschluß Bezug genommen. Ergänzend verweist der Senat auf die Ausführungen im Urteil des BSG vom 31. Oktober 1995 10 RKg 23/94, SozR 3 -- 5870 §1 Nr. 6), wonach die Aufenthaltsbefugnis gemäß §30 AuslG "erklärtermaßen vor allem" für solche Ausländer geschaffen wurde, deren Aufenthalt im Bundesgebiet aus humanitären, also gerade aus den auch im Streitfall geltend gemachten Gründen geduldet wird.

3. Soweit die Antragstellerin schließlich einwendet, das FG habe rechtsfehlerhaft außer acht gelassen, daß sie -- anders als der (sozialhilfeberechtigte) Kläger in dem vom BSG entschiedenen Fall -- den Lebensunterhalt für sich und zwei ihrer Kinder aus eigenem Erwerbseinkommen bestreite, läßt ihr Vortrag nicht erkennen, inwiefern dieser Unterschied in bezug auf den behaupteten Kindergeldanspruch bzw. die Verfassungsmäßigkeit seiner Entziehung erheblich sein könnte.

4. Eine Vorlage an das BVerfG -- wie von der Antragstellerin angeregt -- kommt im summarischen Verfahren nicht in Betracht (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 18. Dezember 1989 IV B 37/89, BFH/NV 1990, 570, und vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454, jeweils das insoweit vergleichbare Aussetzungsverfahren gemäß §69 FGO betreffend, sowie zum PKH-Verfahren Beschluß des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 6. September 1985 2 WF 23/85, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1986, 277). Ernstliche verfassungsrechtliche Bedenken, die eine Prüfung der entscheidungserheblichen Vorschrift im Klageverfahren erforderlich erscheinen lassen, bestehen nicht (vgl. BSG-Urteile vom 31. Oktober 1995 10 RKg 23/94, SozR 3 -- 5870 §1 Nr. 6; vom 30. September 1996 10 RKg 24/95, und vom 3. Dezember 1996 10 RKg 9/96). Sie ergeben sich auch nicht aus der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des LSG Baden- Württemberg vom 29. August 1996 L 1 Kg 1280/96, a. a. O.). Der dort zugrunde liegende Sachverhalt ist mit dem Streitfall insofern nicht vergleichbar, als er einen Flüchtling betrifft, bei dem das Vorliegen der Voraussetzungen des §51 Abs. 1 AuslG durch Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge unanfechtbar festgestellt worden ist. Insoweit besteht entgegen der Auffassung der Beschwerde auch keine uneinheitliche Rechtsprechung zu der im Streitfall entscheidungserheblichen Frage, zumal das BSG seine im Urteil vom 31. Oktober 1995 geäußerte Überzeugung von der Verfassungsmäßigkeit des in §1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes angeordneten Kindergeldausschlusses für (bestimmte) Ausländer noch mehrmals bestätigt hat (vgl. z. B. Urteile vom 30. September 1996 10 RKg 24/95, und vom 3. Dezember 1996 10 RKg 9/96, sowie zustimmend Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 25. Juni 1996 L 1 Kg 1948/95).

 

Fundstellen

Haufe-Index 66987

BFH/NV 1998, 169

HFR 1998, 118

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