Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung von abgetretenen Werklohnforderungen gg. USt-Erstattungsanspruch; Gewährung von AdV

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Streitfall ist die Durchsetzbarkeit der zivilrechtlichen Werklohnnachforderungen, mit denen das FA aufgerechnet hat, wegen von der Stpfl. geltend gemachter Verjährung und eines Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 BGB streitig.

2. Nach § 322 Abs. 2 ZPO ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht wird, der materiellen Rechtskraft fähig. Es besteht somit die Gefahr, dass ein an sich nicht zuständiges Gericht mit Bindungswirkung gegenüber den nach der Rechtswegzuweisung entscheidungsbefugten Gerichten über das Nichtbestehen der zur Aufrechnung gestellten Forderung entscheidet.

3. Es ist umstritten, ob und ggf. in welchen Fällen in den sog. Bauträgerfällen nach § 27 Abs. 19 UStG die Finanzgerichte über die an den Fiskus abgetretenen Werklohnforderungen selbst entscheiden können, oder ob dafür die Zivilgerichte zuständig sind. Bei divergierenden finanzgerichtlichen Entscheidungen und einer fehlenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist Aussetzung der Vollziehung geboten.

 

Normenkette

UStG § 13b; AO §§ 226, 47; FGO § 69 Abs. 2 S. 2; UStG § 27 Abs. 19

 

Tatbestand

I.

Streitig ist im Rahmen eines Abrechnungsbescheids die Rechtmäßigkeit einer Aufrechnung des Finanzamts (Antragsgegner) mit einer von einem Bauleistenden an den Antragsgegner abgetretenen Werklohnforderung.

Die Antragstellerin erbrachte Bauträgerleistungen und erteilte in diesem Zusammenhang u. a. Aufträge an die Firmen BT und QJ (im Folgenden: Bauleistende). Die Antragstellerin und die Bauleistenden waren zunächst davon ausgegangen, dass die Antragstellerin gemäß § 13 b Umsatzsteuergesetz (UStG) die Umsatzsteuer (USt) auf die an sie erbrachten Bauleistungen einzubehalten und abzuführen hatte. Nach Ergehen des BFH-Urteils vom 22.08.2013, V R 37/10, BStBl II 2014, 128, beantragte die Antragstellerin am 07.03.2014 die Erstattung der von ihr zu Unrecht gemäß § 13 b UStG erhobenen USt u. a. für das Streitjahr 2013.

Der Antragsgegner informierte mit Schreiben vom 16.04.2015 die für die Bauleistenden zuständigen Finanzämter über den Erstattungsantrag der Antragstellerin. Für das Streitjahr 2013 sind USt-Bescheide vom 06.12.2017, 26.11.2018 und 13.12.2018 ergangen. Mit USt-Bescheid vom 26.11.2018 für 2013 wurde die USt-Festsetzung für die Antragstellerin um xyz € herabgesetzt. Es entstand ein Erstattungsanspruch der Antragstellerin in derselben Höhe. Die Bauleistenden traten nach dem Vortrag des Antragsgegners ihre Forderungen gegen die Antragstellerin auf Nachzahlung ihrer Werklohnforderungen i. H. der gegen sie festgesetzten USt aus den Bauleistungen in 2015 an den Antragsgegner ab. Am 12.12.2018 erklärte der Antragsgegner ausweislich des Abrechnungsbescheids die Aufrechnung der an ihn abgetretenen Werklohnforderungen mit dem USt-Erstattungsanspruch der Antragstellerin.

Am 31.12.2020 beantragte die Antragstellerin einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 Abgabenordnung (AO), den der Antragsgegner am 18.11.2021 erließ. In dem Abrechnungsbescheid, auf den wegen des Inhalts verwiesen wird (Gerichtsakte Bl. 9 ff), wurden die an den Antragsgegner abgetretenen Werklohnforderungen gegen den USt-Erstattungsanspruch der Antragstellerin gegengerechnet mit der Folge, dass das Konto der Antragstellerin ausgeglichen war.

Die Antragstellerin legte gegen den Abrechnungsbescheid vom 22.11.2021 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Der Einspruch und der AdV-Antrag wurden damit begründet, dass keine Aufrechnungslage vorgelegen habe. Der AdV-Antrag wurde vom Antragsgegner mit Bescheid vom 22.12.2021 (Gerichtsakte Bl. 14 ff) abgelehnt. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.

Die Antragstellerin begehrt bei Gericht AdV des Abrechnungsbescheids. Sie trägt unter Bezugnahme auf den BFH-Beschluss vom 10.11.1987, VII B 137/87, vor, beim erstmaligen Abrechnungsbescheid handele es sich um einen belastenden Verwaltungsakt, da dieser durch die Aufrechnung des Finanzamts eine belastende Regelung enthalte, mit der der eigentlich bestehende USt-Erstattungsanspruch der Antragstellerin zum Erlöschen gebracht werden solle. Für den Bereich der „Bauträgerfälle” sei nach der Entscheidung des Hess. FG vom 01.03.2016, 1 V 2262/15 bei einem Streit über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung AdV zu gewähren bis zur Entscheidung des Zivilprozesses über die bestrittene und an das Finanzamt abgetretene Werklohnforderung. Demgegenüber werde im Urteil des FG Münster vom 17.06.2020, 15 K 3839/17 (Revision anhängig: VII R 41/20), vertreten, dass Einwendungen gegen die zur Aufrechnung gestellte Forderung, die lediglich mit Rechtsansichten begründet würden oder bei denen es sich um Tatsachen handele, die umsatzsteuerliche Relevanz hätten (z. B. Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen), von der Finanzgerichtsbarkeit selbst zu entscheiden seien. ...

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