Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung von Steuererstattungsansprüchen mit Steuernachforderungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, wirkt § 27 Abs. 19 UStG auf alle von seinem Regelungsbereich erfassten, vor dem 15.2.2014 erbrachten steuerpflichtigen Leistungen, ohne dass die Norm dadurch verfassungs- oder unionsrechtswidrig würde. Die Bauleistenden, die materiell-rechtlich Steuerschuldner sind, können daher auch verfahrensrechtlich rechtmäßig vom FA auf Nachforderung der USt in Anspruch genommen werden.

2. Für die zivilrechtliche Anspruchsentstehung ist unerheblich, dass die Stpfl. umsatzsteuerlich als Organgesellschaft zum Unternehmen des Organträgers gehörte und der Organträger die USt abzuführen hatte und deren Erstattung beantragt hat. Die umsatzsteuerrechtliche Unselbständigkeit der Stpfl. wirkt sich nicht auf das zivilrechtliche Vertragsverhältnis zu den Bauleistenden aus.

3. Wenn wie im Streitfall eine Klärung einer Rechtsfrage sowohl durch das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit als auch der Finanzgerichtsbarkeit vorliegt, hält es der erkennende Senat nicht für erforderlich, dass der Beklagte zur Anspruchsfeststellung auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird.

 

Normenkette

AO § 226; BGB § 313; UStG § 27 Abs. 19

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.05.2023; Aktenzeichen XI R 45/20)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob der Beklagte mit – ihm auf der Grundlage von § 27 Abs. 19 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) abgetretenen – zivilrechtlichen Forderungen gegen Steuererstattungsansprüche der Klägerin aufrechnen konnte.

Die Klägerin, vormals firmierend unter UU GmbH, ist Bauunternehmerin und Bauträgerin. In den Jahren 2006 und 2007 bestand zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und Herrn K U als Organträger und seit 2008 zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der U GmbH & Co. KG (U KG) als Organträgerin – zwischen den Beteiligten unstrittig – eine umsatzsteuerliche Organschaft. Die Klägerin bezog in der Vergangenheit verschiedene Bauleistungen, hinsichtlich derer in übereinstimmender Auffassung mit den Bauleistenden auf der Grundlage der damaligen Verwaltungsauffassung die Umkehr der Steuerschuldnerschaft (§ 13b UStG) angewandt wurde. Im Nachgang zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22.8.2013 V R 37/10 (Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFHE – 243, 20, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2014, 128) beantragte Herr K U bzw. die U KG jeweils als Organträger die Erstattung der wegen der bezogenen Bauleistungen abgeführten Umsatzsteuern. Dem Erstattungsantrag kam der Beklagte vollumfänglich nach.

Mit Schreiben vom 8.11.2016 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die folgenden Unternehmer ihre Umsatzsteuer-Nachforderungsansprüche gegen die Klägerin an ihn, den Beklagten, abgetreten hätten:

Unternehmer

Abgetretene Forderung i. H. von €

J T

55,86 €

I S

965,77 €

K T

1.259,13 €

U K

1.912,54 €

T G

5.180,73 €

V GmbH

5.568,58 €

Gesamtbetrag

14.942,61 €

Mit diesen Forderungen rechne er, der Beklagte, gemäß § 226 der Abgabenordnung (AO) i. V. mit §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gegen ein Körperschaftsteuerguthaben des Jahres 2015 i. H. von 13.504,65 €, gegen den Solidaritätszuschlagserstattungsanspruch 2015 i. H. von 2.016,00 € sowie gegen den Erstattungsanspruch aus ratierlicher Körperschaftsteuer 2016 i. H. von 1.957,80 € auf. Der verbleibende Betrag i. H. von 2.535,84 € werde überwiesen.

In den vom Beklagten übermittelten Verwaltungsvorgängen befinden sich bezogen auf jede einzelne Forderung Abtretungsverträge, in denen der jeweilige Zedent der Forderung die vollständige Abtretung der Forderung an den Beklagten bestätigt und letzterer die Abtretung annimmt. Die Abtretungsverträge sind jeweils durch den Zedenten und in Vertretung für den Beklagten durch den dafür zuständigen Sachgebietsleiter unter Angabe des Datums und des Ortes B unterschrieben. Der zeitlich letzte Abtretungsvertrag wurde durch den zuständigen Sachgebietsleiter am 6.3.2015 unterzeichnet. Den Abtretungsverträgen sind berichtigte Rechnungen beigefügt, in denen die Bauleistenden die Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin nachberechnen. Die Bauleistenden haben diese berichtigten Rechnungen mit nachberechneter Umsatzsteuer an die Klägerin übersandt.

Mit Schriftsatz vom 9.12.2016 beantragte die Klägerin den Erlass eines Abrechnungsbescheids gemäß § 218 AO. Sie sei der Auffassung, dass der Beklagte nicht zur Aufrechnung berechtigt gewesen sei.

Mit Abrechnungsbescheid vom 14.2.2017 stellte der Beklagte fest, dass sich das Erhebungskonto der Klägerin zum 30.9.2016 durch mehrere Aufrechnungen wie folgt verändert habe:

in €

Auszahlung durch Aufrechnung in €

zu zahlen in €

Abtretender

lfd. Nr. 1

Name J T

Abtretung

Zahlungen durch Aufrechnung mit Zahlungsansprüchen

Steuerart: Körperschaftsteuer

Zeitraum: 2015

fällig: 20.9.2016

Auszahlung durch Aufrechnung

Verbleibender Erstattungsanspruch

Verwendung des verbleibenden Erst...

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