Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbrechung durch Meldung zum Bundeszentralregister

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Meldungen zum Bundeszentralregister zum Zweck der Aufenthaltsermittlung führen nur dann zur Verjährungsunterbrechung i.S.v. § 231 Abs. 1 AO, wenn es sich hierbei um ernst gemeinte Ermittlungen der Vollstreckungsstelle nach dem für diese unbekannten Wohnsitz oder Aufenthalt des Zahlungspflichtigen handelt.

2) Die Kenntnis einer anderen organisatorischen Stelle desselben Finanzamts ist in diesem Zusammenhang unerheblich, sofern die Vollstreckungsstelle sich insoweit nicht einer aufdrängenden Kenntnis verschließt.

 

Normenkette

AO § 231 Abs. 1, 3, § 228

 

Tatbestand

I.

Zu entscheiden ist, ob der Antragstellerin (Astin.) für ein beabsichtigtes Klageverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren ist. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die aus dem ESt-Bescheid 1999 vom 02.11.2001 resultierenden Steuerrückstände inzwischen zahlungsverjährt sind.

Die Astin. wurde im Veranlagungszeitraum 1999 zunächst mit ihrem Ehemann unter der Steuernummer …/5239/0272 zusammenveranlagt, später jedoch auf ihren Antrag hin mit Bescheid vom 02.11.2001 unter der Steuernummer …/5239/0636 getrennt zur Einkommensteuer veranlagt; die getrennte Veranlagung ergab einen Steuerrückstand von 7.063,64 EUR. Die Ehe wurde am 19.03.2003 geschieden. Die Astin. verließ die eheliche Wohnung (T-tal 99 in B) am 24.01.2003 und änderte am 06.06.2003 ihren Nachnamen von U-R (Ehenamen) in T-F (Geburtsname).

Gegenüber dem Finanzamt benutzte die Astin. ihren neuen Namen erstmals in der ESt-Erklärung 2001, die am 06.11.2003 einging. Die Steuererklärung, der eine amtliche Bescheinigung über die Namensänderung beilag und die die aktuelle Anschrift der Astin. nannte, wurde unter der Steuernummer der Ehegatten abgegeben (…/5239/0272). Der Bearbeiter des Veranlagungsbezirks strich diese Nummer durch und gab der Astin. die neue Steuernummer …/2657/1870. Dass die Astin. zuvor eigentlich die Steuernummer …/5239/0636 hatte, war aus der Steuererklärung nicht ersichtlich und es befinden sich in den Steuerakten auch keine Hinweis darauf, dass dies vom Veranlagungsbeamten erkannt worden ist.

Insbesondere erfolgte keine Namens- und Adressanpassung für das Steuerkonto …/5239/0636, unter welchem die Rückstände aus dem ESt-Bescheid 1999 vom 02.11.2001 erfasst waren. Das Finanzamt hat in der Folgezeit mehrfach versucht, diese Rückstände von der Astin. einzutreiben. U.a. wurden folgende Maßnahmen ergriffen:

  • • 20.03.2002 Schriftliche Vollstreckungsankündigung
  • • 14.06.2002 Besuch der ehelichen Wohnung durch den Vollstreckungsbeamten. Ausweislich des Rechenschaftsberichts vom 14.06.2002 hat der
  • Vollstreckungsbeamte, der die Astin. in der Wohnung nicht angetroffen hat, dort eine Zahlungsaufforderung hinterlassen.
  • • 11.07.2002 Schriftliche Zahlungsaufforderung an die Astin. nebst Ankündigung eines neuen Vollstreckungsversuchs für den 13.08.2002
  • • 06.04.2004 Erneutes Erscheinen des Vollstreckungsbeamten unter der Adresse T-tal 99, der feststellte, dass die Wohnung inzwischen von einem Dritten bezogen worden war. Im Rechenschaftsbericht wird „unbekannt verzogen” angekreuzt. Noch am gleichen Tag wurden die Rückstände der Astin. niedergeschlagen mit dem Vermerk „Der Aufenthalt des Vollstreckungsschuldners ist nicht zu ermitteln”.
  • • 01.12.2006 Vollstreckungsankündigung an „U-R” an die neue Anschrift des geschiedenen Ehemanns (Wstr. 1a in H). Als Reaktion auf dieses Schreiben meldete sich der Steuerberater B aus der Sozietät L beim Finanzamt. Die Sozietät L war dem Finanzamt als Steuerberater der Astin. bekannt (u.a. Erstellung der ESt-Erklärungen 1999, 2001 und 2002).
  • • 06.06.2007 Pfändungs- und Einziehungsverfügungen an diverse Banken unter Verwendung des Nachnamens U-R und der o.g. H Adresse, welche allesamt ohne Erfolg bleiben.
  • • 06.06.2007 Vollstreckungsersuchen an das Finanzamt H
  • • 27.06.2007 Der Vollziehungsbeamte des Finanzamts H stellte fest, dass es sich bei der Adresse in H nur um die Adresse des Ehemanns handelt und die Astin. in B wohnen soll.
  • • 16.08.2007 Mitteilung an das Bundeszentralregister, dass U-R, Steuernummer …/5239/0636 „wegen Aufenthaltsermittlung” gesucht werde.
  • • 2008 weitere erfolglose Pfändungs- und Einziehungsverfügungen an diverse Banken unter Verwendung des Nachnamens U-R und der Adresse Ttal 99.
  • • 04.03.2009 Vollstreckungsankündigung an die Astin. unter Verwendung des Nachnamens T-F und der aktuellen Anschrift.

Als Reaktion auf die Vollstreckungsankündigung vom 04.03.2009 erhob die Astin. den Einwand der Zahlungsverjährung und begehrte den Erlass eines Abrechnungsbescheids. Das Finanzamt erließ diesen Abrechnungsbescheid am 20.07.2009 und stellte darin fest, dass keine Zahlungsverjährung eingetreten sei. Hieran hielt es auch in der Einspruchsentscheidung vom 26.03.2010 fest. Die Verjährung sei zumindest durch die vom Vollstreckungsbeamten am 14.06.2002 hinterlassene Zahlungsaufforderung sowie erneut durch die Meldung zum Bundeszentralregister am 16.08....

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