Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundlagenfunktion von Rentenbescheiden. Beginn einer Erwerbsunfähigkeitsrente. erneute Änderung bei unrichtig ausgewertetem Grundlagenbescheid

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch Rentenbescheide sind hinsichtlich der darin enthaltenen Verwaltungsakte Grundlagenbescheide. Der Ertragsanteil einer Erwerbsunfähigkeitsrente richtet sich also nach der Laufzeit, die sich aus dem Ende der Rente laut Rentenbescheid ergibt, wobei bei jeder Verlängerung der Rente einkommensteuerrechtlich der Ertragsanteil zu ändern ist.

2. Entgegen dem BFH, Urteil vom 22.1.1991, X R 97/89, BStBl 1991 II, 686 ist als Beginn der Erwerbsunfähigkeitsrente nicht der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI a.F. heranzuziehen, sondern der Zeitpunkt des Beginns, der sich aus dem Rentenbescheid ergibt und durch Verwaltungsakt festgelegt wird.

3. Die „Auswertung” eines Grundlagenbescheides erschöpft sich nicht in der mechanischen Übernahme von Zahlen, vielmehr muss der Folgebescheid vollständig und zutreffend an den Regelungsinhalt des Grundlagenbescheides angepasst werden. Somit sind auch Rechtsfehler nachträglich zu korrigieren, die dem FA bei der erstmaligen Auswertung eines Grundlagenbescheides unterlaufen sind (hier: hinsichtlich des Endes einer Rente und damit hinsichtlich der Höhe des Ertragsanteils der Rente vom FA unrichtig ausgewerteter Rentenbescheid).

 

Normenkette

AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 171 Abs. 10; EStG 1997 § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a S. 4; SGB VI § 43 Abs. 1; EStDV 1977 § 55

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 27.05.2009; Aktenzeichen X R 34/06)

BFH (Urteil vom 27.05.2009; Aktenzeichen X R 34/06)

 

Tenor

1. Der Beklagte wird verpflichtet, geänderte Einkommensteuerbescheide 1998 bis 2001 zu erlassen, in denen die Einkommensteuer auf

9.629,67 Euro

(1998)

10.001,89 Euro

(1999)

8.329,96 Euro

(2000) und

11.798,57 Euro

(2001)

herabgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger 15 v.H. und der Beklagte 85 v.H..

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Leistung einer Sicherheit in Höhe der den Klägern zu erstattenden Aufwendungen, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Kläger (Kl) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1997 bis 2001 (Streitjahre) sind bestandskräftig und stehen auch nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. In den Bescheiden ist eine Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin (Klin) mit einem Ertragsanteil von 41 v.H. berücksichtigt. Die am 20.11.1956 geborene Klin erhielt die Rente ab dem 17.7.1996 aufgrund von Bescheiden vom 19.3.1997 (Laufzeit bis 31.12.1998), 7.7.1999 (Laufzeit bis 29.2.2000) und vom 24.3.2000/27.4.2000 (Laufzeit bis 31.12.2001).

Mit Schreiben vom 23.10.2003 legten die Kl Widerspruch gegen die Einkommensteuerbescheide 1996 bis 2001 ein. Zur Begründung trugen sie vor, der Beklagte (das Finanzamt –FA–) habe den Ertragsanteil für die Rente falsch angesetzt. Das FA behandelte das Schreiben der Kl als Einspruch und verwarf diesen als unzulässig, da der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Einspruchsfrist eingelegt worden sei. Das FA legte in der Einspruchsentscheidung vom 9.3.2004 außerdem dar, dass eine Änderung der Bescheide nach § 129 oder nach § 173 der Abgabenordnung (AO) ausscheide.

Hiergegen wenden sich die Kl mit ihrer Klage. In der Klageschrift ist angegeben, dass Gegenstand der Klage die Einkommensteuerbescheide 1996 bis 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9.3.2004 sein sollten. Die Einspruchsentscheidung war als Anlage beigefügt. Unter dem Datum des 14.2.2005 erging gegenüber dem Klägervertreter die Anordnung, bis zum 31.3.2005 den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen (§ 65 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die Frist wurde durch Verfügung des Berichterstatters zunächst bis zum 30.4.2005 verlängert, danach bis zum 30.6.2005. Mit Schreiben vom 30.6.2005 bat der Klägervertreter erneut um Fristverlängerung bis zum 6.7.2005. Durch Telefonat vom 4.7.2005 teilte der Berichterstatter der Kanzlei des Klägervertreters mit, dass die Frist nicht verlängert werde. Mit Schreiben vom 6.7.2005 beantragte der Klägervertreter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führte er aus, er sei wegen einzelner näher beschriebener gesundheitlicher Beschwerden bis Juni 2005 nur eingeschränkt arbeitsfähig gewesen. In materiell-rechtlicher Hinsicht tragen die Kl vor, die Klin beziehe seit dem 17.7.1996 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Der Ertragsanteil für diese Rente sei in den Streitjahren zu hoch angesetzt worden. Der Rentenbescheid sei ein Grundlagenbescheid, so dass die angefochtenen Einkommensteuerbescheide noch geändert werden könnten.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das FA zu verpflichten, geänderte Einkommenst...

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