rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitszimmer der Inhaberin eines ambulanten Pflegedienstes als Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das häusliche Arbeitszimmer ist ein Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient.

2. Wird ein Büroraum auch von dritten, nicht familienangehörigen und auch nicht haushaltzugehörigen Personen genutzt, so wird die Einbindung des Büros in die häusliche Sphäre aufgehoben bzw. überlagert.

3. Das häusliche Arbeitszimmer eines Steuerpflichtigen, der seine berufliche Tätigkeit teilweise in seinem Arbeitszimmer und teilweise außer Haus ausübt, ist „Mittelpunkt” i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 3 Halbs. 2 EStG, wenn der Steuerpflichtige im Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Der „Mittelpunkt” bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen.

4. Der Mittelpunkt der beruflichen Betätigung einer Inhaberin eines Betriebes zur Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege, der fünf Pflegekräfte beschäftigt und mehr als 50 Patienten betreut, ist im Arbeitszimmer.

 

Normenkette

EStG 2002 § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b

 

Tenor

1. Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2002, 2003 und 2004 vom 27. Juli 2006 sowie des Einkommensteuerbescheids für 2005 vom 23. März 2007 – alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. November 2007 – wird die Einkommensteuer für 2002 auf 80.354 EUR, für 2003 auf 58.602 EUR, für 2004 auf 59.306 EUR und für 2005 auf 44.566 EUR festgesetzt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Raumkosten nur begrenzt als Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer abzugsfähig sind.

I.

Die Klägerin betreibt seit 1998 einen ambulanten Pflegedienst und erzielte daraus Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Ihren Gewinn ermittelt sie nach Einnahmenüberschussrechnung.

Die Klägerin betreute mit ihrem Pflegedienst 41 Patienten im Jahr 2002 und 51 Patienten im Jahr 2005. Den ambulanten Pflegedienst betreibt die Klägerin in angemieteten Räumen im Erdgeschoss des Hauses in der [… T-Straße]. Im Obergeschoss dieses Hauses wohnt die Klägerin in ihrer Eigentumswohnung und nutzt darin auch ein Zimmer für ihre betrieblichen Tätigkeiten. Dieses Zimmer befindet sich im Dachgeschoss des Gebäudes und ist über eine Wendeltreppe von der Eigentumswohnung aus zu erreichen; dieses Zimmer ist wie folgt eingerichtet: ein großer Schreibtisch, ein Computer, ein Fax mit Drucker und Kopierer, ein Drehschrank, ein Schrank als Ablage, zwei Sessel, ein kleiner Schreibtisch, Hängekarteien als Register, ein Aktenvernichter, ein Schrank zur Aufbewahrung von Berufskleidung für Angestellte und Werbegeschenke, Regale für Pflegehilfsmittel wie Windeln, Infusionsbesteck, Spritzen, Kanülen etc. […].

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erklärte die Klägerin einen Gewinn in Höhe von 196.710 EUR für 2002, von 144.254 EUR für 2003, von 159.348 EUR für 2004 und von 129.393 EUR für 2005. Als Betriebsausgaben wurden u.a. auch Raumkosten geltend gemacht und zwar für 2002 in Höhe von 16.146 EUR, für 2003 von 18.075 EUR, für 2004 von 9.901 EUR und für 2005 von 9.970 EUR. Ein Teil der Raumkosten entfiel auf das für die betriebliche Tätigkeit genutzte Zimmer in der Eigentumswohnung. Für die Jahre 2002 bis 2004 folgte der Beklagte – das Finanzamt (FA) – den Angaben in den Einkommensteuererklärungen. Bei der im April 2006 durchgeführten steuerlichen Außenprüfung vertrat der Betriebsprüfer – neben anderen nicht streitigen Punkten – die Auffassung, dass das betrieblich genutzte Zimmer in der Eigentumswohnung ein häusliches Arbeitszimmer sei, und dass die dafür aufgewendeten Kosten als Betriebsausgaben nur begrenzt in Höhe von jährlich 1.250 EUR abzugsfähig seien. Deshalb sei der Gewinn aus selbständiger Arbeit für 2002 um 9.042 EUR, für 2003 um 8.964 EUR und für 2004 um 4.804 EUR zu erhöhen. Das FA schloss sich der Auffassung des Betriebsprüfers an und änderte mit Einkommensteuerbescheiden vom 27. Juli 2006 die Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2002, 2003 und 2004. Außerdem legte das FA die Auffassung des Betriebsprüfers der Veranlagung zur Einkommensteuer für 2005 zu Grunde, berücksichtigte ebenfalls nur Aufwendungen von 1.250 EUR für das häusliche Arbeitszimmer und erhöhte den Gewinn um 4.413 EUR (Einkommensteuerbescheid 2005 vom 23. März 2007). Die dagegen gerichteten Einsprüche blieben ohne Erfolg (Ein...

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