Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahrung der Festsetzungsfrist durch rechtzeitiges Versenden eines vorläufigen Steuerbescheids. Einkommensteuer 1989

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Wahrung der Festsetzungsfrist genügt es nicht, daß der Steuerbescheid vor Ablauf der Festsetzungsverjährung abgesandt wird. Der Bescheid muss dem Steuerpflichtigen auch später zugehen.

Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 8 Satz 1 AO setzt die wirksame Bekanntgabe des vorläufigen Steuerbescheids voraus.

 

Normenkette

AO 1977 § 165 Abs. 1-2, § 169 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 171 Abs. 8 S. 1

 

Tenor

1. Der geänderte Einkommensteuerbescheid 1989 vom 20.8.1997 wird aufgehoben, soweit er gegen die Klägerin ergangen ist. Die Klage des Klägers wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Gründe

I.

Die Kläger (Kl) sind Ehegatten, die für das Streitjahr 1989 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kl betrieb eine Bau- und Möbelschreinerei; die Klägerin (Klin) war im Betrieb des Klägers als Buchhalterin beschäftigt.

Die Kl hatten 1972 zu je ½ ein Grundstück in … erworben, das sie 1978 mit einem Werkstattgebäude und 1979 mit einer Garage bebauten. Die Gebäude wurden entgegen der ursprünglichen Planung nicht vom Kl gewerblich genutzt, sondern fremdvermietet. Die Hälfte des Grund und Bodens und die Herstellungskosten der Gebäude setzte der Kl im Anlagevermögen des Gewerbebetriebs an. Die Grundstücksaufwendungen buchte er als betrieblichen Aufwand, die Mieteinnahmen als gewerbliche Erträge.

Am 14.5.1989 verkaufte der Kl die Maschinen seiner Schreinerei an die 1989 gegründete „… GmbH”, an der der Kl zu 48 v.H., die Klin zu 4 v.H. und ein Dritter zu 48 v.H. beteiligt waren. Das Grundstück verpachteten die Kl an die GmbH.

Mit Bescheid vom 29.7.1991 setzte der Beklagte (Finanzamt –FA–) unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen die Einkommensteuer 1989 auf 7.594 DM fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Am 12.11.1991 reichten die Kl die Einkommensteuererklärung 1989 beim FA ein. Sie erklärten u. a. Einkünfte des Kl aus Gewerbebetrieb (laufender Gewinn) in Höhe von ./. 1.071 DM und Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung des Grundstücks in Höhe von 21.710 DM. Mit gemäß § 164 Abs. 2 AO geändertem und weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Einkommensteuerbescheid 1989 vom 5.12.1989 setzte das FA unter Übernahme der Angaben in der Einkommensteuererklärung die Einkommensteuer 1989 auf 8.646 DM fest. Im beigefügten Erläuterungsblatt forderte das FA die Kl zur Stellungnahme zu der erfolgsneutralen Entnahme des Grundstücks auf. Mit Schreiben vom 13.3.1992 vertraten die Kl die Auffassung, es habe kein Grund bestanden das Grundstück zu bilanzieren und als gewillkürtes Betriebsvermögen zu behandeln, da die Gebäude von Anfang an fremdvermietet worden seien. Die Bilanzansätze seien daher zu berichtigen und das Grundstück erfolgsneutral zu entnehmen.

Mit Bescheid vom 20.9.1995 hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung auf und setzte die Einkommensteuer unverändert, Jedoch hinsichtlich des Punkts „Entnahme des Grundstücks” gemäß § 165 Abs. 1 AO vorläufig fest. Es übersandte jeweils eine Bescheidsausfertigung an die inzwischen getrennt lebenden Ehegatten.

In derzeit vom 18.9.1996 bis 16.7.1997 fand bei den Kl eine betriebsnahe Veranlagung statt, bei der die „Betriebsveräußerung” zum 14.5.1989 überprüft wurde. Der Prüfer kam zum Ergebnis, dass die Grundstückserträge bis 14.5.1989 bei den gewerblichen Einkünften zu erfassen seien. Die Veräußerung des Anlagevermögens an die GmbH und die (zwangsweise) Entnahme des zum gewillkürten Betriebsvermögen gehörenden Grundstücksteils seien im Rahmen der Betriebsveräußerung zu erfassen (laufender Gewinn: ./. 4.956,65 DM; Veräußerungsgewinn: 266.314 DM; Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: 13.792,50 DM; Prüfungsbericht vom 21.7.1997). Unter Berücksichtigung der Feststellungen des Prüfers änderte das FA am 20.8.1997 die Einkommensteuerfestsetzung 1989 gemäß § 165 Abs. 2 AO und setzte die Einkommensteuer 1989 auf 63.111 DM fest. Es gab jeweils eine Ausfertigung des Änderungsbescheids den Kl bekannt.

Den dagegen eingelegten Einspruch begründeten die Kl damit, dass der vorläufige Steuerbescheid 1989 vom 20.9.1995 nicht in die Verfügungsgewalt der Klin gelangt sei. Die Klin mache daher Verjährung nach § 164 AO i.V.m. § 169 AO geltend. Auch dem Kl sei der Bescheid vom 20.9.1995 nicht wirksam bekanntgegeben worden, da der Kl wegen Alkoholabhängigkeit zeitweise unzurechnungsfähig gewesen sei. Das Kuvert mit dem Steuerbescheid habe die Klin bei Betreten der Wohnung des Kl im Jahr 1997 ungeöffnet vorgefunden. Auch der Kl mache die „Einrede der Verjährung...

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