Entscheidungsstichwort (Thema)

Physikalische Verwendung von Biogas zur Erzeugung von Strom in Blockheizkraftwerken als Voraussetzung für die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Strom, der mit Gas aus dem Erdgasnetz hergestellt wird, ist nicht gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG steuerbefreit, weil Strom aus erneuerbaren Energieträgern nach § 2 Nr. 7 EnergieStG nur vorliegt, wenn er ausschließlich aus Wasserkraft, Windkraft, Sonnenenergie, Erdwärme, Deponiegas, Klärgas oder aus Biomasse erzeugt wird. Ein Erdgasnetz, in das von einem Energieversorgungsunternehmen aus Biomasse erzeugtes Gas eingeleitet und Gas zur Erzeugung von Strom in Blockheizkraftwerken entnommen wird, enthält jedoch ein Gemisch von begünstigtem (aus Biomasse erzeugtem) und nicht begünstigtem Gas.

2. Für die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG für den in Blockheizkraftwerken erzeugten Strom aus erneuerbaren Energieträgern ist rein auf die physikalische Verwendung abzustellen; insoweit reicht eine kaufmännisch-bilanzielle Verwendung nicht aus.

 

Normenkette

StromStG § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Nr. 7, § 11 Nr. 8 Buchst. a; StromStV § 1b Abs. 2 Sätze 1-2; BiomasseV § 2 Abs. 1 S. 1; EGRL 96/2003 Art. 15 Abs. 1 Buchst. b; EEG § 44 ff., § 47 Abs. 6, § 89 Abs. 1 Nr. 1; EnergieStG § 28

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 17.01.2023; Aktenzeichen VII R 54/20)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG und ein Energieversorgungsunternehmen, das Letztverbraucher mit elektrischem Strom beliefert. Sie hat eine Versorgererlaubnis gemäß § 4 des Stromsteuergesetzes in der Fassung des Jahres 2015 (StromStG). An zwei Standorten erzeugte sie aus Blockheizkraftwerken (BHKW) Strom, den sie teilweise an Letztverbraucher lieferte und im Übrigen in das öffentliche Stromnetz einspeiste.

Eine Biogas-Aufbereitungsanlage erzeugte Biogas, das in das öffentliche Gasnetz eingeleitet wurde und sich dort mit dem übrigen Gas vermischte. Aus diesem Netz entnahmen die Blockheizkraftwerke das Gas zur Erzeugung des Stroms. Aufgrund eines sog. Massebilanzsystems konnte das entnommene Gas kaufmännisch-bilanziell dem eingespeisten Biogas zugerechnet werden. Tatsächlich wurde ein Gasgemisch entnommen.

Mit Steueranmeldung vom 23. Mai 2016 erklärte die Klägerin für das Streitjahr (2015) eine Stromsteuer in Höhe von … EUR.

Sie machte mit Schreiben vom 2. Dezember 2016 die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG für die Stromlieferungen an Letztverbraucher von einem BHKW für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 31. März 2015 geltend. Der Beklagte (das Hauptzollamt – HZA –) setzte die Erstattung zunächst antragsgemäß mit Bescheid vom 14. Dezember 2016 fest. Mit weiterem Schreiben vom 27. Dezember 2016 beantragte die Klägerin eine Steuerbefreiung nach der gleichen Vorschrift für den Zeitraum vom 1. April bis 31. Dezember 2015.

Im Rahmen einer steueraufsichtlichen Maßnahme vertrat das HZA die Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung nicht vorlägen, weil im Rahmen des Betriebs des BHKW Biogas hätte physisch eingesetzt werden müssen.

Mit Bescheid vom 23. August 2017 setzte das HZA die Stromsteuer für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2015 bezüglich des im ersten BHKW erzeugten Stroms erneut fest. Eine Änderung der Festsetzung für den Zeitraum vom 1. April 2015 bis 31. Dezember 2015 lehnte das HZA mit Bescheid vom gleichen Tag ab.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2017 gab die Klägerin eine korrigierte Steueranmeldung beim HZA ab. Dabei machte sie für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2015 nunmehr für beide BHKW die Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG für die Stromlieferungen an Letztverbraucher geltend. Sie erklärte nunmehr eine Stromsteuer in Höhe von … EUR.

Das HZA lehnte die begehrte Steuerbefreiung mit Bescheid vom 7. März 2018 ab. Es ist der Auffassung, dass kein Strom aus erneuerbaren Energieträgern für den Betrieb der BHKW verwendet worden sei.

Den Einspruch der Klägerin wies das HZA mit Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 2018, die ihr am 17. Juli 2018 zugestellt wurde, als unbegründet zurück. § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG verlange im Gegensatz zu § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG einen eindeutigen Herkunfts- und Erzeugungsnachweis. Dabei sei aufgrund des Wortlauts auf eine physikalische Herkunft des eingesetzten Biogases abzustellen. Das HZA verweist auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. April 2004 VII R 54/03 (BFH/NV 2004, 1607, Rz. 23).

Am 17. August 2018 erhob die Klägerin Klage. Der Strom aus dem BHKW sei Strom aus erneuerbaren Energieträgern im Sinne der Befreiung. Nach dem Wortlaut des § 2 Nr. 7 StromStG sei darunter auch Strom zu verstehen, der hinsichtlich des zur Stromerzeugung eingesetzten Brennstoffs kaufmännisch-bilanzielle Biomasse umfasse. Im Wortlaut finde sich keine Einschränkung dahingehend, dass eine physikalische Betrachtung zugrunde zu legen sei. Für diese Auslegung sprächen z...

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