Anwendungsfragen zur erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags

Die Finanzverwaltung hat sich zu der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 3 und 4 GewStG geäußert. Ursächlich dafür waren die Änderungen durch das Fondsstandortgesetz (FoStoG).

Dies wird in der Praxis insbesondere für Grundstücks- bzw. Wohnungsunternehmen relevant sein, doch z.B. auch eine GmbH mit fast ausschließlicher Grundstücksverwaltung kann davon profitieren.

Grundlagen

Mit der Regelung in § 9 Nr. 1 GewStG wird das Ziel verfolgt, eine doppelte Belastung von betrieblichem Grundbesitz sowohl mit Grundsteuer als auch mit Gewerbesteuer zu vermeiden. Die sog. einfache Kürzung des § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG führt nur zu einer pauschalen Verminderung der Gewerbesteuer. Anders hingegen die sog. erweiterte Kürzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, welche zu einer vollständigen Vermeidung einer Doppelbelastung führt. Davon können insbesondere Betriebe profitieren, die kraft Rechtsform Einkünfte aus Gewerbebetrieb haben (z.B. GmbH, GmbH & Co. KG), obwohl sie dem Grunde nach mit der Überlassung von Grundbesitz nur vermögensverwaltend tätig sind.

Änderungen durch das FoStoG

Durch das FoStoG wurde § 9 Nr. 1 Satz 3 und 4 GewStG mit Wirkung ab dem Erhebungszeitraum 2021 neu gefasst. Dadurch wird der Bereich der für die erweiterte Kürzung unschädlichen Tätigkeiten ausgedehnt. Konkret geht es um Maßnahmen im Zusammenhang mit

  • dem Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen,
  • dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Elektrofahrräder und
  • Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes aus anderen Tätigkeiten.

Diese Änderungen haben zur Folge, dass die betroffenen Gewerbebetriebe die erweiterte Kürzung ihres Gewerbeertrags trotz der zusätzlichen Betätigungen weiterhin in Anspruch nehmen können.

Ländererlasse

In der Praxis auftretende Anwendungsfragen werden von der Finanzverwaltung (ergänzend zu den Ausführungen in R 9.2 GewStR und H 9.2 GewStH) wie folgt beantwortet:

  • Voraussetzung für die erweitere Kürzung ist grundsätzlich, dass der Gewerbebetrieb ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt.
  • Bereits bisher galt, dass bestimmte Betätigungen unschädlich für die Kürzung sein können. Dies sind die Verwaltung und Nutzung von eigenem Kapitalvermögen, die Betreuung von Wohnungsbauten, die Errichtung und Veräußerung von Einfamilien- bzw. Zweifamilienhäusern oder Eigentumswohnungen.
  • Neu hinzugekommen sind nun die Lieferung von Strom im Zusammenhang mit dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien i.S. des § 3 Nr. 21 EEG, die Lieferung von Strom aus dem Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Elektrofahrräder und auch Einnahmen aus unmittelbaren Vertragsbeziehungen mit den Mietern des Grundbesitzes aus anderen Tätigkeiten.

Lieferung von Strom und Ladestationen

  • Erneuerbare Energien sind die Wasserkraft, Windenergie, solare Strahlungsenergie, Geothermie und Energie aus Biomasse.
  • Schädlich für die Kürzung ist die Lieferung von Strom an Letztverbraucher. Nur wenn der Letztverbraucher zugleich auch Mieter des Grundstücksunternehmens ist (sog. Mieterstromanlage) ist dies unschädlich.
  • Der Betrieb von Ladestationen für Elektrofahrzeuge oder Elektrofahrräder erfordert eine Überlassung der Ladestation und auch die Stromlieferung durch das Grundstücksunternehmen.
  • Hingegen ist eine Lieferung von Strom aus dem Betrieb von Ladestationen auch dann unschädlich, wenn diese nicht nur an Mieter erfolgt. Und ebenso ist es irrelevant, ob selbst erzeugter oder zugekaufter Strom geliefert wird.
  • Der Höhe nach ist eine Unschädlichkeitsgrenze zu beachten. Die Einnahmen aus der Lieferung von Strom aus erneuerbaren Energien und dem Betreiben von Ladestationen dürfen nicht höher als 10 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des gesamten Grundbesitzes sein.
  • Sind die Voraussetzung für eine unschädliche Tätigkeiten aus der Lieferung von Strom aus erneuerbaren Energien bzw. dem Betreiben von Ladestationen erfüllt, sind die daraus erzielten Gewerbeerträge ab 2021 nicht mehr schädlich für die erweiterte Kürzung. Gleichwohl unterliegt der darauf entfallende Gewinn der Gewerbesteuer (partielle Besteuerung).

Unmittelbare Vertragsbeziehungen mit Mietern

  • Mit Aufnahme dieses Unschädlichkeitspunktes wird insbesondere das in der Praxis häufig auftretende Problem der Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen beseitigt, welche ab 2021 nun unschädlich für die erweiterte Kürzung sein kann.
  • Ebenso kann jetzt eine sog. Zwischenvermietung unschädlich sein. Darunter versteht man die Anmietung und Weitervermietung von Grundbesitz ausschließlich an Mieter von eigenem Grundbesitz des Unternehmens.
  • Allerdings beträgt die Unschädlichkeitsgrenze hierfür nur 5 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes.

Blockheizkraftwerk

  • Der Betrieb eines konventionellen Blockheizkraftwerks (BHKW) fällt nicht unter die Lieferung von Energie aus erneuerbaren Quellen. Anders jedoch, wenn das BHKW nur mit Biomasse betrieben wird.
  • Diese Einschränkung ist jedoch nicht negativ, denn die Lieferung von Wärme ist Bestandteil der allgemeinen Gebrauchsüberlassung. Damit sind die Einnahmen aus einer Wärmelieferung an Mieter als Einnahmen aus der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes generell von der erweiterten Kürzung begünstigt.
  • Die Lieferung von mit einem BHKW erzeugten Strom ausschließlich an die Mieter ist ab 2021 eine unschädliche Tätigkeit i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. c GewStG. Damit ist nur die Lieferung von Strom an andere Abnehmer eine schädliche Tätigkeit und führt zur Versagung der erweiterten Kürzung.

Berechnung der Unschädlichkeitsgrenze

Als Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des gesamten eigenen Grundbesitzes gelten die vereinbarten fremdüblichen Miet- und Pachteinkünfte sowie sämtliche umlagefähige Betriebskosten (= Warmmiete). Es wird nur auf die Nettobeträge ohne Umsatzsteuer abgestellt.

Beispiel:

Eine Grundstücks-GmbH vermietet Wohnungen und liefert aus einem Gas-BHKW Wärme und Strom an die Mieter. Es erzielt folgende Einnahmen:

Kaltmieten 500.000 EUR,

Betriebskostenumlagen 30.000 EUR,

Wärmelieferung BHKW 50.000 EUR,

Stromlieferung BHKW 26.000 EUR.

Die GmbH hat damit Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung ihres Grundbesitzes i. H. v. 580.000 EUR. Die Einnahmen aus Stromlieferungen i. H. v. 26.000 EUR und entsprechen 4,48 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes. Damit ist die Unschädlichkeitsgrenze des § 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. c GewStG mit 5 % nicht überschritten, sodass die Stromeinnahmen unschädlich für die erweitere Kürzung sind.

  • Es wird auf die vereinbarten Mieten (Soll-Mieten) abgestellt. Damit bleibt z.B. eine Ausbuchung einer Forderung bilanzierter Mietansprüche wegen Uneinbringlichkeit ohne Auswirkung auf die Höhe der Einnahmen aus Gebrauchsüberlassung.
  • In Leerstandszeiten liegen keine vereinbarten Mieten vor. Bei einer temporären Mietfreistellung (z.B. bei Vertragsbeginn oder in einer Krise) gilt eine Miete i. H. v. 0 EUR als vereinbart.
  • Die beiden Unschädlichkeitsgrenzen des § 9 Nr. 1 Satz 3 Buchst. b bzw. Buchst. c GewStG mit 10 % bzw. 5 % sind jeweils getrennt voneinander zu prüfen. Nicht genutzte Prozentpunkte können nicht auf die jeweils andere Grenze übertragen werden.

Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 17.6.2022

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