Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit für die Abgabenerhebung im Versandverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Wenn im Zeitpunkt der Feststellung von Zuwiderhandlungen im gemeinschaftlichen Versandverfahren noch nicht feststeht, wo diese begangen worden sind, ergibt sich die Zuständigkeit der Zollbehörde aus Art. 217 Abs. 1 i.V.m. Art. 215 Abs. 1 Anstrich 2 ZK.

 

Normenkette

ZK Art. 203, 215, 217 Abs. 1, Art. 96; ZKDV Art. 450b; AO §§ 91, 126 Abs. 1 Nr. 3, § 127

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Klägerin vom Beklagten als Schuldnerin für Einfuhrabgaben in Anspruch genommen werden durfte, die wegen der Nichterledigung eines gemeinschaftlichen Versandverfahrens entstanden sind.

Die Klägerin eröffnete am 20. März 2003 bei der Abgangsstelle A/Österreich das Versandverfahren T1 Nr. …. Als Bestimmungsstelle war das ZA B/Deutschland angegeben, als Gestellungsfrist wurde der 28. März 2003 vorgegeben. Das Verfahren wurde nicht erledigt.

Am 9. Juli 2003 ging beim HZA eine Suchanzeige der Abgangsstelle ein, wonach der Hauptverpflichtete (die Klägerin) über den Verbleib der Sendung keine Angaben machen könne.

Im Suchverfahren teilte der Warenführer dem beklagten HZA mit, dass er die streitgegenständliche Ware am 24. März 2003 in Österreich ohne Zollpapiere erhalten habe. Die Ware sei deshalb als Nicht-Zollgut am folgenden Tag dem Empfänger in M/Deutschland zugestellt worden. Dort seien die Plomben entfernt und die Ware verarbeitet worden. Der im Versandschein angegebene Empfänger teilte mit, dass die Waren nicht in seinem Betrieb eingetroffen seien.

Der Beklagte forderte deshalb mit Einfuhrabgabenbescheid vom 30. Oktober 2003 von Klägerin Einfuhrabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) i.H.v. von insgesamt 406,73 EUR an.

Nach erfolglosem Einspruch macht die Klägerin mit der gegen die Einspruchsentscheidung vom 19. Dezember 2003 erhobenen Klage im Wesentlichen geltend, dass sie als Hauptverpflichtete keine Gelegenheit gehabt habe, ihre Rechte wahrzunehmen. Aus der Aussage des zweiten Warenführers ergebe sich, dass Ware und Versandschein in Österreich getrennt worden seien und somit der zollschuldrechtliche Tatbestand in Österreich verwirklicht worden und Deutschland deshalb nicht für die Abgabenerhebung zuständig sei. Außerdem sei ihre Inanspruchnahme ermessensfehlerhaft.

Die Klägerin beantragt,

den Einfuhrabgabenbescheid vom 30. Oktober 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das HZA beantragt

Klageabweisung

und bringt vor, dass die Klägerin von der Abgangsstelle unterrichtet worden sei. Außerdem habe sie im Einspruchsverfahren Gelegenheit gehabt sich zu äußern. Die erst nach Erlass des Steuerbescheids erfolgten Äußerungen zum Ort der Zollschuldentstehung seien nicht mehr maßgeblich. Im Übrigen könne die Klägerin allein aufgrund ihrer formellen Garantenstellung als Hauptverpflichtete in Anspruch genommen werden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist unbegründet.

Das HZA hat die Klägerin zu Recht mit Einfuhrabgabenbescheid vom 30. Oktober 2003 für Einfuhrabgaben i.H.v. insgesamt 406,73 EUR in Anspruch genommen.

1. Für die im streitgegenständlichen Versandverfahren transportierten Waren ist die Einfuhrabgabenschuld dadurch entstanden, dass sie durch Nichtgestellung bei der Bestimmungsstelle der zollamtlichen Überwachung entzogen worden sind (Art. 203 Abs. 1 Zollkodex – ZK – i.V.m. §§ 13 Abs. 2 und 21 Abs. 2 UmsatzsteuergesetzUStG –). Der Begriff der Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) so zu verstehen, dass er jede Handlung oder Unterlassung umfasst, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde, wenn auch nur zeitweise, am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung der in Artikel 37 Abs. 1 ZK vorgesehenen Prüfungen gehindert wird (vgl. EuGH-Urteil vom 1. Februar 2001 Rs. C-66/99, Slg. 2001, I-873 Randnr. 47). Dies ist der Fall, wenn – wie im Streitfall – die streitgegenständliche Sendung – nicht bei der Bestimmungsstelle gestellt und das Versandverfahren für diese Sendung nicht erledigt worden ist (vgl. EuGH-Urteil vom 20. Januar 2005 C-300/03, ZfZ 2005, 84).

2. Die Klägerin ist nach Art. 203 Abs. 3 Anstrich 4 ZK i.V.m. §§ 13 Abs. 2 und 21 Abs. 2 UStG Schuldner der Einfuhrabgaben, weil sie gem. Art. 96 Abs. 1 ZK als Hauptverpflichtete des Versandverfahrens verpflichtet gewesen ist, die Waren bei der Bestimmungsstelle zu gestellen. Als Verfahrensinhaberin wird die Klägerin Abgabenschuldnerin, ohne dass es darauf ankommt, ob sie selbst die Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen oder eine Zuwiderhandlung begangen hat oder ob ihr ein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen ist.

3. Das HZA ist für die Festsetzung der Einfuhrabgaben gegenüber der Klägerin zuständig. Nach Art. 215 Abs. 3 ZK i.V.m. Art 217 Abs. 1 ZK sind die Zollbehörden des Mitgliedstaats für die Abgabenerhebung zuständig, in dem die Zollschuld nach Art. 215 Abs....

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