Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit für Abgabenerhebung im gemeinsamen Versandverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Warenbeförderung im gemeinsamen Versandverfahren gilt ab dem Zeitpunkt der Einfuhr in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft als im gemeinschaftlichen Versandverfahren durchgeführt.

2. Werden Waren nach der Einfuhr der zollamtlichen Überwachung entzogen und kann der Ort der Zollschuldentstehung nicht innerhalb von zehn Monaten ab dem Zeitpunkt der Annahme der Versandanmeldung bestimmt werden, gilt die Zollschuld an dem Ort entstanden, an dem die Waren im Rahmen des gemeinsamen Versandverfahrens in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden sind.

3. Wird später als Ort der Zollschuldentstehung ein Ort in einem anderen Mitgliedstaat ermittelt, muss das im Einfuhrmitgliedstaat eingeleitete Erhebungsverfahren nur dann eingestellt werden, wenn die Zollbehörden des Mitgliedstaats, in dem die Zuwiderhandlung begangen worden ist, nachweisen, dass sie die Abgabenerhebung gegenüber dem Zollschuldner vorgenommen haben.

4. Die Inanspruchnahme eines Zollspediteurs als Hauptverpflichteten für die Einfuhrabgabenschuld verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

 

Normenkette

Versand-Übereinkommen Art. 1 Abs. 2; Anlage I des Versand-Übereinkommens Art. 116; ZK Art. 203 Abs. 1, 3, Art. 215; ZKDV Art. 450a, 450b Abs. 2 Unterabs. 3

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob der Beklagte (das Hauptzollamt – HZA) die Klägerin für Einfuhrumsatzsteuer in Anspruch nehmen durfte, die wegen der nicht ordnungsgemäßen Erledigung eines Versandverfahrens entstanden ist.

Die Klägerin eröffnete am 20. Juni 2003 als Hauptverpflichtete bei der Abgangsstelle Praha IV in Tschechien das gemeinsame Versandverfahren T1 Nr. … für 4.000 Stück Mobiltelefone im Warenwert von 660.900 EUR. Im Versandschein war als Bestimmungsstelle M/GB angegeben und als Frist für die Wiedergestellung der 27. Juni 2003 festgesetzt. Als Warenempfänger war die Fa. H in M eingetragen.

Am 26. September 2003 unterrichtete die Abgangsstelle die Klägerin davon, dass ihr noch kein Nachweis für die Beendigung des streitgegenständlichen Versandverfahrens vorliege und forderte sie auf, den Nachweis für die Beendigung des Verfahrens zu erbringen. Im weiteren Verlauf des Suchverfahrens teilte das HZA der Abgangsstelle mit, dass die Sendung am 21. Juni 2003 über das Zollamt F unter Abgabe eines Grenzübergangsscheins in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wurde. Die Abgangsstelle bestätigte deshalb am 13. August 2004, dass das HZA für die Abgabenerhebung im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Versandverfahren zuständig ist. Mit Nachricht vom 16. September 2004 teilte das HZA der Abgangsstelle mit, dass das Besteuerungsverfahren von ihm durchgeführt wird und setzte mit Einfuhrabgabenbescheid vom 28. Oktober 2004 gegenüber der Klägerin Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. 105.744,– EUR fest.

Da die Klägerin im Einspruchsverfahren geltend machte, dass der Empfänger in England (die Fa. H) die Ware in Kenntnis der Zollguteigenschaft übernommen habe und als Nachweis hierfür Kopien eines bestätigten Frachtbriefs und des Abschnittes des Blatts 5 des T1 vorlegte, auf welchem der Empfänger die Übernahme der Ware bestätigt habe, bat das HZA mit Schreiben vom 25. November 2004 die englischen Zollbehörden, unter Vorlage der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, um Prüfung, ob die streitgegenständliche Sendung gestellt bzw. abgefertigt worden sei. Daraufhin teilten die englischen Zollbehörden mit Schreiben vom 3. Dezember 2004 mit, dass die Waren nach GB verbracht worden seien und sie für die Abgabenerhebung zuständig seien, weshalb sie um die Übersendung diverser Unterlagen baten, um die Abgabenerhebung zu ermöglichen. Nachdem das HZA die angeforderten Unterlagen übersandt hatte, erklärten die englischen Zollbehörden mit Schreiben vom 10. Februar 2005, dass die Waren an den Versender zurückgeschickt worden seien und sie nicht wüssten, wo sie sich jetzt befänden. Sie könnten deshalb nicht feststellen, wo die Zuwiderhandlung stattgefunden habe. Außerdem lag diesem Schreiben eine TC20-Suchanzeige bei, mit einem Vermerk gleichen Datums, dass die betreffende Warensendung dort nicht gestellt worden sei und über ihren Verbleib nichts in Erfahrung gebracht werden könne.

Da auch weitere Nachfragen zu keinem anderen Ergebnis führten, wies das HZA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 31. August 2006 als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage bringt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass das HZA nicht für die Abgabenerhebung zuständig sei. Der Transport sei wie vorgesehen durchgeführt worden. Die Sendung sei am 23. Juni 2003 vom Fahrer dem Empfänger H zugestellt worden. Dieser habe die Annahme auf dem Rückschein des Versandscheins bestätigt. Erst nachträglich sei diesem bewusst geworden, dass es sich um Zollgut handle und er die Ware nicht einlagern könne, da er kein zugelassener Empfä...

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