Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzugsfähigkeit von auf den verbleibenden Gesellschafter einer Willensbildungs-GbR nach Beendigung der Mehrmütterorganschaft durch das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus der GbR übergegangenen gewerbesteuerlichen Verlustes bei aufgrund zulässigerweise rückwirkend geänderten Gesetzeslage nicht bestehender Bindung an die BFH-Entscheidung vom 9.6.1999 I R 43/97 (BStBl II 2000, 695) bzw. bei unzulässiger rückwirkender Geltung bestehender Bindungswirkung. Übergang von gewerbesteuerlichen Verlusten auf den verbleibenden Gesellschafter nach Beendigung einer Mehrmütterorganschaft durch Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus der Willensbildungs-GbR. Gewerbesteuermessbetrag 1987 (früheres Az.: 7 K 5255/99)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Neue Gesetze beseitigen die Bindungswirkung der Revisionsentscheidung für das zurückverwiesene Verfahren nur, wenn ihnen eine zulässige rückwirkende Geltung beigemessen werden kann.

2. § 2 Abs. 2 Satz 4 GewStG und § 14 Abs. 2 KStG jeweils i.d.F. des UntStFG können für das mit Beschluss vom 6.9.1999 zurückverwiesene Verfahren I R 43/97 (BStBl II 2000, 695) nur Geltung beanspruchen, wenn sich ihre Geltung im Rahmen einer zulässigen verfassungskonformen Normeninterpretation auf die vorteilhafte Änderung der Rechtsfolgenlage zu Gunsten beschränkt.

3. Verfassungskonforme Interpretation vorgenannter Vorschriften dahingehend, dass die gewerbesteuerliche Unternehmensfiktion der Mehrmütter-Personengesellschaft nur für den Zeitraum des Bestehens der Organschaft gilt. Ändert sich der Organkreis durch Wegfall der Mehrmütter-Personengesellschaft infolge des Ausscheidens des vorletzten Gesellschafters, beurteilt sich die Rechtslage nach den schon vor Inkrafttreten der rückwirkenden Regelung geltenden Vorschrift des § 10 a GewStG (hier: Annahme, dass der nach Beendigung der Mehrmütter-Personengesellschaft verbleibende Gesellschafter die Unternehmensidentität der Mehrmütter-Personengesellschaft im Umfang seiner Beteiligung im Verlustentstehungsjahr prägt; entgegen BMF-Schreiben v. 26.8.2003, BStBl I 2003, 437, Tz. 20).

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 2 S. 4 i.d.F.d. UntStFG, § 36 Abs. 2 S. 2 i.d.F.d. UntStFG, § 10a i.d.F.d. UntStFG; KStG § 14 Abs. 2 i.d.F.d. UntStFG, § 34 Abs. 6 Nr. 1 i.d.F.d. UntStFG, Abs. 2 i.d.F.d. UntStFG; UntStFG Art. 4 Nrn. 1, 5, Art. 2 Nr. 6; GG Art. 20 Abs. 3; FGO § 126 Abs. 5; GewStR 1984 Abschn. 17 Abs. 6; GewStR 1998 Abschn. 14 Abs. 6

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.03.2006; Aktenzeichen I R 1/04)

 

Tenor

1. Auf die Klage wird der Bescheid über die Festsetzung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages für 1987 vom 5. Mai 1994, St.-Nr. 801/90001 dahin geändert, dass der Gewerbesteuermessbetrag unter Berücksichtigung eines gewerbesteuerlichen Verlustabzugs in Höhe von DM 318.518.941 auf DM 25.484.508 festgesetzt wird.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin, eine Aktiengesellschaft, gemäß § 10 a des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) anteilige Verluste im Veranlagungszeitraum 1987 (Streitjahr) in Abzug bringen kann, die im Rahmen zweier zwischenzeitlich beendeter sog. Mehrmütterorganschaften aufgelaufen sind. Die Streitsache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

1. Im Einzelnen geht es um die folgenden zwei Sachverhaltskomplexe:

a) Die Klägerin besaß 75 v.H. der Aktien der T. AG (T-AG). Inhaber der übrigen Aktien war die A. AG (A-AG). Seit 1969 bestand zwischen dieser und der Klägerin eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zum Zwecke der Sicherung eines einheitlichen Beherrschungswillens gegenüber der T-AG, die T. GbR (T-GbR). Die T-AG war zur Abführung ihres Gewinns an die T-GbR verpflichtet. Der Beklagte (das Finanzamt – FA–) erkannte die Gestaltung als sog. Mehrmütterorganschaft an. Dementsprechend wurden die von der T-AG erwirtschafteten Verluste für Zwecke der Gewerbesteuer bei der T-GbR vorgetragen. Die seit 1983 aufgelaufenen Gewerbeverluste betrugen im Streitjahr ca. 391.081.000 DM.

Mit Vertrag vom 12. Februar 1987 erwarb die Klägerin von der A-AG deren Aktienbesitz an der T-AG mit Wirkung zum 31. März 1987. Dadurch erlosch die T-GbR. In der Folge wurde die T-AG auf die Klägerin verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am 30. September 1987 in das Handelsregister eingetragen, steuerlich aber auf den 31. März 1987 zurückbezogen. Nach Aufnahme der T-AG stellte die Klägerin deren bisherige Aktivitäten teilweise um.

Im Rahmen ihrer Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin Verlustvorträge der GbR in Höhe von 293.311.244 DM geltend. Dieser Betrag entspricht einem Anteil von 75 v.H. an den gesamten, bis zum Streitjahr aufgelaufenen gewerbesteuerlichen V...

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