Entscheidungsstichwort (Thema)

Entschädigungszahlung für die dauerhafte Einbringung von Verpressmitteln und Verpressankern in den Untergrund des Grundstücks des Steuerpflichtigen anlässlich der Bebauung des Nachbargrundstücks nicht einkommensteuerbar

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erhält der Steuerpflichtige als Eigentümer einer vermieteten Immobilie vom Eigentümer des Nachbargrundstücks eine Entschädigungszahlung für die Gestattung, dass bei der Bebauung des Nachbargrundstücks zum Zwecke von Abstützungs- und Unterfangungsmaßnahmen an der grenzständigen Außenwand Verpressmittel und Verpressanker dauerhaft in den Untergrund des Grundstücks des Steuerpflichtigen eingebracht werden und muss der Steuerpflichtige ggf. bei künftigen Baumaßnahmen an seinem eigenen Grundstück diese – nach Abschluss der Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück funktionslosen – Verpressmittel bzw. Verpressanker auf eigene Kosten entsorgen, so führt die Entschädigungszahlung für den Steuerpflichtigen weder zu steuerpflichtigen Mieteinnahmen noch zu sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 3 EStG, sondern ist nicht einkommensteuerbar.

2. Müssen die im Erdreich verbliebenen Materialien bei Baumaßnahmen, beispielsweise einer Erneuerung der Unterkellerung bzw. einer Neubebauung des Grundstücks, auf jeden Fall auf Kosten des Steuerpflichtigen entfernt werden, so würde ein etwaiger Erwerber des Grundstückes die sich daraus ergebenden Konsequenzen bei seiner Preisbildung berücksichtigen und wegen der insoweit anfallenden Kosten nur einen niedrigeren Wert für das Grundstück zahlen. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gleicht die Entschädigungszahlung also die dingliche Eigentumsbeschränkung und die damit einhergehende Wertminderung des Grundstücks des Steuerpflichtigen aus.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 1 S. 1 Nrn. 6-7, § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 3

 

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid 2016 vom 8. Januar 2019 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21. August 2020 werden dahingehend geändert, dass die steuerpflichtigen Einkünfte um 149.000 EUR gemindert werden. Die Berechnung der Steuer wird dem Finanzamt übertragen.

2. Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Steuerbarkeit einer Entschädigungszahlung.

Die Kläger wurden im Streitjahr 2016 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte unter anderem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einem Mietshaus in M ….

Am 1. August 2016 traf der Kläger eine „Nachbarschaftsvereinbarung” mit der Firma … (nachfolgend Projektgesellschaft). Die Projektgesellschaft beabsichtigte den Abriss von Bestandsgebäuden und die anschließende Bebauung der Grundstücke an der … Straße …, die unmittelbar an das Grundstück des Klägers an der … Straße … angrenzen. In der Vereinbarung gestattete der Kläger der Projektgesellschaft unter anderem die fachmännische Durchführung von Unterfangungen im Düsenstrahlverfahren unter der grenzständigen Außenwand seines Grundstücks für die an der Grundstücksgrenze erforderlichen Abstütz- und Unterfangungsmaßnahmen (Nr. 3 des Vertrages). Infolge dieser Unterfangung sollten circa 450 Kubikmeter Verpressmittel in dem Grundstück des Klägers verbleiben.

Außerdem gestattete der Kläger der Projektgesellschaft, circa 50 Verpressanker als Baubehelf in sein Grundstück einzuführen (Nr. 4 Absatz 1 des Vertrages). Nach Abschluss der Verankerungsmaßnahmen sollten die Anker entspannt werden und im Übrigen wirkungslos im Untergrund des Grundstücks des Klägers verbleiben. Im Fall einer Baumaßnahme auf dem Grundstück des Klägers sollten die Anker vom Kläger entsorgt werden. Für die eingebrachten Verpressanker und die Unterfangung im Düsenstrahlverfahren gewährte die Projektgesellschaft dem Kläger eine pauschale Entschädigungsleistung in Höhe von 150.000 EUR (Nr. 4 Absatz 2 des Vertrages). Überdies erklärte sich der Kläger mit der Anbringung eines Werbebanners an der Kommunwand des Gebäudes … Straße … ab dem 1. Juli 2016 bis voraussichtlich September 2017 einverstanden (Nr. 5 des Vertrages). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vereinbarung vom 1. August 2016 verwiesen.

In seiner Einkommensteuererklärung erklärte der Kläger im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Zusammenhang mit der Anbringung des Werbebanners an seinem Grundstück einen Betrag von 1.000 EUR als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung. Die restliche Entschädigungsleistung von 149.000 EUR wurde als veräußerungsähnlicher, nicht steuerbarer Vorgang behandelt.

Abweichend davon berücksichtigte das Finanzamt im Bescheid vom 8. Januar 2019 die Entschädigungsleistung in Höhe von 149.000 EUR als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG). Der dagegen eingelegte Einspruch wurd...

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