Entscheidungsstichwort (Thema)

Ort der Verlustverrechnung bei Einkünften nahe des Existenzminimums

 

Leitsatz (redaktionell)

Beim Verlustvortrag findet die Verlustverrechnung nach der Ermittlung der Einkünfte und vor Abzug des Altersentlastungsbetrages statt.

 

Normenkette

EStG § 10d Abs. 2, § 23 Abs. 3

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften.

Die Klägerin wird beim Beklagten – dem Finanzamt (FA) – zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Zum 31. Dezember 2003 hatte das FA den verbleibenden Verlustvortrag für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften auf 30.374 EUR festgestellt. Für das Jahr 2004 setzte das FA mit Bescheid vom 10. November 2005 eine ESt von 0 EUR fest. Dabei zog es von den erklärten Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 950 EUR eben diesen Betrag im Wege des Verlustvortrags ab und errechnete ein zu versteuerndes Einkommen von -449 EUR. Auch ohne diesen Verlustvortrag hätte sich ein zu versteuerndes Einkommen unterhalb des Grundfreibetrages ergeben. Folgerichtig stellte das FA den verbleibenden Verlustvortrag zur ESt zum 31. Dezember 2004 für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Bescheid vom 10. November 2005 wie folgt gesondert fest (in EUR):

verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.2003:

30.374

davon ab: Verlustabzug lt. ESt-Bescheid 2004:

950

(ergibt:) verbleibender Verlustvortrag zum 31.12.2004:

29.424

Der Einspruch der Klägerin gegen die Bescheide über ESt 2004 und die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur ESt zum 31. Dezember 2004 blieb in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 28. April 2008 ohne Erfolg.

Die Klägerin will mit Ihrer Klage erreichen, dass eine Verlustverrechnung bei der ESt-Festsetzung 2004 entsprechend folgender Berechnung unterbleibt (in EUR):

Gesamtbetrag der Einkünfte lt. Steuerbescheid

6.834

zuzüglich Veräußerungsgewinne 2004

950

ergibt

7.784

abzüglich Altersentlastungsbetrag (40% von 950)

380

ergibt Gesamtbetrag der Einkünfte

7.404

Da dieser Gesamtbetrag der Einkünfte unter dem Grundfreibetrag liege, dürfe eine weitergehende Verrechung mit einem bestehenden Verlustvortrag nicht erfolgen. Auch widerspreche der Verlustverbrauch bei der Berechnung des FA der Regelung, wonach bei Einkünften unterhalb der Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 6 Einkommensteuergesetz (EStG) kein solcher Verbrauch eintrete.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Änderung des Bescheides vom 10. November 2005 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur ESt zum 31. Dezember 2004 und Aufhebung der EE vom 28. April 2008 den verbleibenden Verlustvortrag zur ESt zum 31. Dezember 2004 auf 30.374 EUR festzustellen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist im Wesentlichen auf die EE.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist nicht begründet.

Das FA hat die Verlustverrechnung zutreffend nach Ermittlung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften und vor Abzug des Altersentlastungsbetrages vorgenommen.

Die Klage der Klägerin wird dahingehend ausgelegt, dass sie sich alleine gegen den Verlustfeststellungsbescheid, nicht aber gegen die ESt-Festsetzung mit einer Steuer Null richtet. Im Übrigen wäre eine Klage insoweit, als sie sich gegen die ESt-Festsetzung richtete, unzulässig. Die Klägerin ist durch eine Steuerfestsetzung von Null nicht beschwert.

1. Nach § 23 Abs. 3 Satz 8 Halbsatz 2 EStG (in der für das Streitjahr geltenden Fassung) dürfen Verluste aus Veräußerungsgeschäften nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch nach Maßgabe des § 10d EStG die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt (§ 23 Abs. 3 Satz 9 EStG). Während diese Vorschrift somit eine Verlustverrechnung mit künftigen Einkünften vorsieht, findet die Verlustverrechnung des § 10d Abs. 2 EStG mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte statt, mithin – bezogen auf den Streitfall – nach Abzug des Altersentlastungsbetrages. Die Frage, an welcher Stelle die Verrechnung zu erfolgen hat, ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Die Literatur liest aus der Formulierung „nach Maßgabe des § 10d” in § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG teils, dass die Verrechnung ebenso wie sonst mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte zu erfolgen habe (so Lutterbach, Deutsches Steuerrecht [DStR] 1999, 521), sonst gibt sie überwiegend, jedoch ohne nähere Auseinandersetzung, dem Wortlaut des § 23 EStG mehr Gewicht, so dass die Verrechnung bei der Ermittlung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erfolgen soll (so Musil in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG § 23 Rz. 321, ohne nähere Begründung; Walter/Stümper, DStR 2002, 204, allerdings zur Berücksichtigung der Freigrenze beim Verlustrücktrag; Blümich-Glenk, § 23 EStG Rz. 198, ohne Begründung; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 5. Oktober 2000 IV C 3-S 2256-263/00, BStBl I 2000, 1383, Tz...

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