Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwer bei Anfechtung eines Nullbescheids. Gewinnrealisierung bei Dienst- und Werkverträgen. Gewinnrealisierung bei Abschlagszahlungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Klage gegen einen Steuerbescheid, in dem die Steuerschuld auf 0 EUR festgesetzt worden ist (sogenannter Nullbescheid), ist mangels Beschwer unzulässig, soweit nicht geltend gemacht wird, dass sich der Bescheid für den Kläger deshalb nachteilig auswirkt, weil in ihm angesetzte Besteuerungsgrundlagen im Rahmen anderer Verfahren verbindliche Entscheidungsvorgaben liefern.

2. Ob ein gegenseitiger Vertrag am Bilanzstichtag voll oder nur teilweise erfüllt ist und daher noch ein zum Teil schwebendes Geschäft vorliegt, ist unter Berücksichtigung der für das jeweilige Rechtsgeschäft geltenden zivilrechtlichen Vorschriften zu entscheiden. Eine Dienst- oder Werkleistung ist „wirtschaftlich erfüllt”, wenn sie – abgesehen von unwesentlichen Nebenleistungen – erbracht worden ist. Anders als bei Dienstleistungsverträgen im Sinne des § 611 BGB bedarf es bei Werkverträgen im Sinne des § 631 BGB außerdem der Abnahme des Werks durch den Besteller, um die handels- und steuerrechtliche Gewinnrealisierung herbeizuführen. Ohne Bedeutung ist hingegen, ob am Bilanzstichtag die Rechnung bereits erteilt ist, ob die geltend gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen oder ob die Forderung erst nach dem Bilanzstichtag fällig wird.

 

Normenkette

FGO § 40 Abs. 2; EStG § 5 Abs. 1 S. 1; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4; BGB §§ 611, 631; KStG § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 S. 3

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin, eine zwischenzeitlich aufgelöste GmbH, über deren Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts München vom … die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, wurde im Jahr 1982 gegründete und war auf dem Gebiet der technischen Unternehmensberatung mit einem Stammkapital von zuletzt 500.000 EUR tätig. Gesellschafter waren B zu 90 % und J zu 10 %. J ist zum Geschäftsführer bestellt worden.

Bei der Klägerin wurde für den Zeitraum 2009 bis 2011 eine Außenprüfung durchgeführt. Der Betriebsprüfer war – u.a. – der Auffassung, dass die in den Bilanzen ausgewiesenen Posten „Erhaltene versteuerte Anzahlungen 19 % USt (3272)” (31.12.2009: 1.129.154 EUR,

31.12.2010: 1.874.296 EUR, 31.12.2011: 2.014.586 EUR) aufgrund der Nichtvorlage von Unterlagen (fehlende Ausgangsrechnungen, Erläuterungen zum Zeitpunkt der Endabrechnung) erfolgswirksam aufzulösen seien. Die übrigen Feststellungen der Außenprüfung befinden sich nicht mehr in Streit. Das beklagte Finanzamt folgte den Feststellungen der Außenprüfung

und erhöhte den Gewinn in Höhe des aufgelösten Bilanzpostens „Erhaltene Anzahlungen”.

In den infolge der Feststellungen der Außenprüfung ergangenen geänderten Steuerbescheiden für die Jahre 2008 bis 2015 vom 27.07.2017 wurden folgende Steuern festgesetzt bzw. Besteuerungsgrundlagen festgestellt:

Körperschaftsteuer 2008

48.633 EUR (infolge des Wegfalls des Verlustrücktrags aus 2009) Körperschaftsteuer 2009

124.752 EUR

Körperschaftsteuer 2010

78.025 EUR

Körperschaftsteuer 2011

182.830 EUR

Körperschaftsteuer 2012 bis 2015 jeweils 0 EUR

Die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2009 bis 31.12.2012 wurden aufgehoben.

Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2013:

243.159 EUR

Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2014:

223.159 EUR

Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2015:

213.159 EUR

Bescheide über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. §§ 27, 28 und 38 KStG (steuerliches Einlagenkonto) zum 31.12.2009 bis 31.12.2011 jeweils 0 EUR

Gewerbesteuermessbetrag 2009:

27.504 EUR

Gewerbesteuermessbetrag 2010:

18.203 EUR

Gewerbesteuermessbetrag 2011:

42.658 EUR

Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009: 0 EUR (infolge vollständigen Verlustabzugs in 2009).

Die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2010 bis 2012 wurden aufgehoben.

Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2013:

321.658 EUR

Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2014:

301.658 EUR

Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2015:

291.658 EUR.

Gegen diese Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein mit der Begründung, die Behandlung der gebuchten erhaltenen Anzahlungen als Ertrag sei aufgrund des Geschäftsmodells und der zugrundeliegenden Aufträge unzutreffend. Sie sei von ihren Kunden in der Regel mit der Beratung und Umsetzung von Lösungskonzepten in Zusammenha...

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