rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewinnzuschätzungen bei einem Restaurant

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 162 Abs. 1 S. 2 AO sind bei einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein und darf nicht den Denkgesetzen und den allgemeinen Erfahrungssätzen widersprechen.

2. Verstößt das FA bei der Schätzung gegen grundlegende mathematische Regeln, ist die Schätzung rechtswidrig.

3. Schätzt das FA den Gewinn nach Rohgewinnaufschlagsätzen aus Richtsatzsammlungen, ist diese Schätzung nur zulässig, wenn das FA nachweist, dass der Betrieb nicht mit deutlich niedrigeren Rohgewinnaufschlagsätzen kalkuliert.

4. Wird bei der Ermittlung des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatzes das arithmetische Mittel aus verschiedenen Rohgewinnaufschlagsätzen in Form von Prozentsätzen errechnet, wird gegen grundlegende statistische Regeln verstoßen. Das arithmetische Mittel darf nämlich nur für metrische Daten (d.h. Daten, die mindestens auf Intervallskalenniveau liegen) errechnet werden.

 

Normenkette

AO § 162 Abs. 1, 2 S. 2, § 158

 

Tenor

1. Die Einkommensteuerbescheide vom 6. März 2009 für 2001, für 2002 und für 2003 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2010 werden für die Dauer des Klageverfahrens für 2001 in Höhe von 21.400,64 EUR, für 2002 in Höhe von 16.888,00 EUR und für 2003 in Höhe von 3.883,00 EUR ausgesetzt.

2. Die durch die Einkommensteuerbescheide vom 6. März 2009 für 2001, für 2002 und für 2003 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2010 angefallenen Säumniszuschläge werden ab Fälligkeit aufgehoben, soweit sie durch die ausgesetzte Einkommensteuer entstanden sind.

3. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

4. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 9/100 und der Antragsgegner zu 91/100.

 

Tatbestand

I.

Die Antragsteller (ASt) sind Ehegatten und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der ASt erzielte in den Streitjahren u.a. gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb des [… China-Restaurants]. Seinen Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich.

Der Antragsgegner – das Finanzamt (FA) – führte zunächst endgültige Veranlagungen durch. Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, dass Gewinnzuschätzungen vorzunehmen seien. Die Zuschätzungen wurden im Wesentlichen darauf gestützt, dass für den im Jahr 2001 erfolgten Erwerb einer privaten Immobilie ein ungeklärter Geldzufluss auf einem privaten Bankkonto in Höhe von 217.000 DM aus einer Überweisung durch eine Bank in Hongkong vorliege, sich aus den eingereichten Gewinnermittlungen unplausible Schwankungen der Gewinnaufschläge ergäben, sich aus Kontrollmitteilungen nicht verbuchte Wareneinkäufe entnehmen ließen, die Überprüfung des Barzahlungsverkehrs negative Bargeldsalden ergeben habe und Kassenunterlagen nicht vollständig aufbewahrt worden seien.

Das FA änderte mit Bescheiden vom 6. März 2009 gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) die Festsetzungen zur Einkommensteuer für 2001, 2002 und 2003 und ging von Gewinnen aus Gewerbebetrieb für 2001 von 208.531 DM, für 2002 von 47.355 EUR und für 2003 von 37.459 EUR aus.

Für die Dauer des Einspruchsverfahrens hat das Finanzgericht (FG) mit Beschluss vom 22. Januar 2010 (Az.: 10 V 2438/09) Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt.

Die gegen die Änderungsbescheide vom 6. März 2009 gerichteten Einsprüche hatten keinen Erfolg. Mit Schreiben vom 25. August 2010 teilte das FA den ASt mit, dass eine neue Schätzung der Gewinne zu höheren Steuerfestsetzungen führen würde. Nach der neuen Schätzung ergäben sich Gewinne für 2001 von 282.646 DM, für 2002 von 107.247 EUR und für 2003 von 63.474 EUR. Mit Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2010 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück und ging nun davon aus, dass die Gewinne aus Gewerbebetrieb 248.799 DM im Jahr 2001, 90.287 EUR im Jahr 2002 und 46.488 EUR im Jahr 2003 betragen hätten.

Die dagegen gerichtete Klage begründen die ASt u.a. damit, dass die Kalkulation des FA unzutreffend sei. Die Rohgewinnaufschlagsätze anderer Restaurants könnten nicht auf sie übertragen werden, da sie ca. 70% ihres Umsatzes mit verbilligten Mittagsmenüs erzielen würden und außerdem das Restaurant im ländlichen Bereich liege, wo nur geringe Verkaufspreise durchsetzbar seien.

Die Antragsteller beantragen, die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide vom 6. März 2009 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. Dezember 2010 für 2001 in Höhe von 23.868,13 EUR, für 2002 in Höhe von 18.698,00 EUR und für 2003 in Höhe von 3.883,00 EUR wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit und wegen einer unbilligen Härte für die Dauer des Klageverfahrens ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Der Antragsgegner (Finanzamt) beantragt, den Antrag abzulehnen, hilfsweise eine Aussetzung der Vollziehung von der ...

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