Entscheidungsstichwort (Thema)

Freigebige Zuwendung durch Gewährung eines niedrig verzinslichen Darlehens. Jahreswert des Nutzungsvorteils. keine Verfassungswidrigkeit des Zinssatzes von 5,5 % gemäß § 15 Abs. 1 BewG. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 20/22)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine freigebige Zuwendung liegt vor, wenn ein Darlehen mit einem unüblich niedrigen Zinssatz gewährt wird. Der Jahreswert des Nutzungsvorteils ist mit 5,5 % abzüglich des vereinbarten Zinssatzes zu berechnen, wenn kein anderer Wert feststeht.

2. Ein anderer Jahreswert des Nutzungsvorteils steht nicht bereits dann fest, wenn der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer bei einer verzinslichen Anlage des Darlehensbetrags bei einem Kreditinstitut zu marktüblichen Bedingungen lediglich eine niedrigere Rendite als 5,5 % im Jahr hätten erzielen können.

3. Zur Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes der freigebigen Zuwendung genügt das Bewusstsein des Zuwendenden von der Teilentgeltlichkeit seiner Leistung, wofür regelmäßig das Bewusstsein über den Mehrwert seiner Leistung ausreicht. Auf die Kenntnis des genauen Ausmaßes des Wertunterschiedes kommt es nicht an.

4. Hinsichtlich der Anwendung des Zinssatzes von 5,5 % bestehen keine verfassungsrechtlichen Zweifel, die eine Vorlage an das BVerfG rechtfertigen würden. Die Erwägungen, mit denen das BVerfG die Zinsen nach §§ 233a, 238 AO für verfassungswidrig erklärt hat, lassen sich auf § 15 Abs. 1 BewG nicht übertragen.

 

Normenkette

ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 1; BewG § 15 Abs. 1, § 13 Abs. 2 2. Halbsatz; GG Art. 100 Abs. 1 S. 1, Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert beträgt 229.500,00 EUR.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Voraussetzungen für eine gemischte Schenkung im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) vorliegen.

Am 06. November 2007 verstarb Herr A.. Das AG … erließ am 06. Januar 2008 einen Erbschein. Danach wurde der Erblasser beerbt durch Frau B, seiner Schwester, als nicht befreiter Vorerbin und dem Kläger und Sohn des Erblassers als Nacherbe. Die Nacherbfolge sollte mit der Volljährigkeit des Klägers eintreten.

Die Vorerbin hat das Erbe angetreten. Der Kläger hat nach dem Eintritt seiner Volljährigkeit am 14. September 2012 die Nacherbschaft angetreten. Die leibliche Tochter des Erblassers und Schwester des Klägers, Frau C, geboren am 23. Februar 2000, wurde testamentarisch nicht bedacht und war unter Berücksichtigung der Regelung des § 2303 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) pflichtteilsberechtigt. Der Wert des Pflichtteilsanspruches wurde mit 2.031.395,88 EUR ermittelt.

Frau B, der Kläger und Frau C schlossen im Rahmen einer Mediation vor dem LG …, Az.: … einen Prozessvergleich.

Der Kläger und Frau C schlossen am 03. November 2016 (UR-Nr. … der Notarin …) einen „Darlehensvertrag mit Bestellung einer Grundschuld”. Bei Abschluss dieses Vertrages wurde Frau C, durch Herrn Rechtsanwalt D, als durch Beschluss des AG … vom … (Az.: …) bestellter Ergänzungspfleger, vertreten. Das AG … hat durch Beschluss vom … das vorgenannte Rechtgeschäft für Frau C genehmigt. Dieser Beschluss wurde am … rechtskräftig.

Gemäß II. des Vertrages haben Frau C und der Kläger einen mündlichen Darlehensvertrag über 2.031.395,88 EUR und Darlehenszinsen i. H. v. 1 %, verzinst seit dem 14. September 2012 und einen weiteren mündlichen Darlehensvertrag über 100.000,00 EUR verzinst zu 1 % ab dem 12. April 2014 geschlossen. Da der Kläger in der Folgezeit insgesamt 318.000,00 EUR an Frau C zahlte, belief sich die Forderung von Frau C auf 1.875.768,05 EUR. Diese Forderung sollte die mündlichen Darlehensvereinbarungen ablösen und war Gegenstand des Darlehensvertrages und des Darlehensnennbetrags gemäß § 2.

Das Darlehen gilt gemäß § 4 als mit dem 01. Januar 2016 ausgezahlt. Gemäß § 3 Abs. 2 des Vertrages wurde ein Festzinssatz von 1 % p. a. auf den Darlehensnennbetrag rückwirkend ab dem 01. Januar 2016 vereinbart. Das Darlehen wurde gemäß § 5 Abs. 1 auf unbestimmte Zeit gewährt und konnte mit einer Frist von 12 Monaten erstmals zum 31. Dezember 2019 gekündigt werden. Das Darlehen ist am Ende der Laufzeit in einer Summe zurückzuzahlen, § 5 Abs. 2. Die Darlehensgeberin war gemäß § 5 Abs. 3 berechtigt, jederzeit mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten monatliche Tilgungsleistungen in Höhe von maximal 5.000,00 EUR zu verlangen. Die Darlehensgeberin war gemäß § 5 Abs. 4 einmalig in jedem Kalenderjahr berechtigt, mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten, eine Einmalzahlung in Höhe von 10.000,00 EUR zu verlangen. Gemäß § 7 des Vertrages wurde die Darlehenssumme durch Grundschulden auf näher bezeichneten Grundbesitz des Klägers besichert.

Der Kläger gab keine Schenkungsteuererklärung ab. Mit Bescheid vom 29. November 2017 setzte der Beklagte eine Schenkungsteuer gegen den Kläger fest. Der Bescheid steht gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter...

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