Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine sachliche Unbilligkeit der Verzinsung einer Steuernachforderung infolge zunächst irrtümlich angenommener umsatzsteuerlicher Organschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer ist nicht sachlich unbillig, soweit der zu verzinsende Unterschiedsbetrag darauf beruht, dass Geschäftsbesorgungsleistungen, die zunächst infolge der unzutreffenden Annahme einer umsatzsteuerlichen Organschaft als Innenumsätze behandelt worden waren, nun rückwirkend der Umsatzsteuer unterworfen werden, korrespondierende Vorsteuern hingegen erst nach Rechnungsstellung in einem späteren Veranlagungszeitraum abgezogen werden können.

 

Normenkette

AO §§ 227, 233a, 5; UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, §§ 14, 17

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 29.03.2017; Aktenzeichen XI R 18/14)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 257.181,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Erlass von Zinsen zur Umsatzsteuer 1996 streitig, die durch die geänderte Steuerfestsetzung nach einer fälschlicherweise angenommenen umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen ihr und der G entstanden sind.

Die Klägerin ist im Raum A seit 1991 zuständig für die Versorgung der Bevölkerung mit Strom, Fernwärme und Wasser sowie die Entsorgung von Abwässer. Die Klägerin ist seit dem 07. November 1996 mit der G organschaftlich verbunden.

Die Anteile an der G wurden mit Vertrag vom … von der Treuhandanstalt mit Wirkung vom 01. Januar 1991 an die Stadt A übertragen. Gleichzeitig übernahm die Klägerin gegen Kostenerstattung die Geschäftsbesorgung für die G. Die Geschäftsbesorgungsleistungen der Klägerin für die G wurden in der Folgezeit stets der Umsatzsteuer bei der Klägerin unterworfen. Die G machte entsprechend die Vorsteuerbeträge in ihren Umsatzsteuererklärungen geltend.

Am 29. Februar 1996 beschloss die Stadtvertretung der Stadt A, die Anteile der G an die Klägerin zu übertragen. Die Anteilsübertragung erfolgte zum 07. November 1996. Gleichwohl erklärte die G dem Beklagten gegenüber bereits ab dem 01. März 1996 die umsatzsteuerliche Organschaft mit der Klägerin mit der Folge, dass ab diesem Zeitpunkt die Umsätze für Leistungen der G an fremde Kunden bei der Klägerin als Organträger erklärt wurden. Die Entgelte für die Leistungen der Klägerin an die G (im Wesentlichen Geschäftsbesorgungsleistungen) wurden von der Klägerin als Innenumsätze behandelt und damit nicht besteuert. Der – ansonsten dem Grunde nach zulässige – Vorsteuerabzug bei der G wurde folgerichtig nicht vorgenommen. Entsprechende Rechnungen wurden nicht gestellt.

Mit ihrer am 27. Februar 1998 beim Beklagten eingegangenen Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr 1996 errechnete die Klägerin aus den gemeinsam mit der G erzielten Umsätzen eine Umsatzsteuer in Höhe von 1.995.603,60 EUR.

Im Jahre 1999 wurde bei der G eine Betriebsprüfung für die Jahre 1993 bis 1996 durchgeführt. Dabei kamen die Prüfer zu dem Ergebnis, dass die umsatzsteuerliche Organschaft zwischen der G und der Klägerin erst mit der zivilrechtlich wirksamen Anteilsübertragung zum 07. November 1996 beginnen konnte und es zuvor mangels Beherrschung durch die Klägerin an der finanziellen Eingliederung gefehlt habe. In der Folge wurden die Umsätze der G bis zum 31. Oktober 1996 wieder der G zugerechnet. Hierauf setzte der Beklagte Umsatzsteuer in Höhe von 971.004,79 EUR sowie Zinsen zur Umsatzsteuer in Höhe von 174.778,99 EUR fest.

Daraufhin gab die Klägerin eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 1996 ab, in der die Umsätze der G herausgerechnet wurden. Die Umsatzsteuer betrug danach nur noch 1.024.597,90 EUR. Auf den Erstattungsbetrag wurden der Klägerin Zinsen in Höhe von 194.199,39 EUR gutgeschrieben.

Nach einer im Wesentlichen in 2001 durchgeführten Betriebsprüfung bei der Klägerin erhöhte der Beklagte die Umsätze dort unter anderem um die bisher als Innenumsätze behandelten Geschäftsbesorgungsleistungen der Klägerin gegenüber der G. Die hierauf entfallende Umsatzsteuer betrug 902.389,00 EUR, die hierauf entfallenden Nachzahlungszinsen betrugen 257.181,00 EUR. Unter dem 31. August 2002 stellte die Klägerin ihre Geschäftsbesorgungsleistungen gegenüber der G in Rechnung und wies dabei Vorsteuern in Höhe von 902.389,85 EUR aus. Der Beklagte berücksichtigte den Vorsteuerabzug entsprechend dem Datum der Rechnungslegung erst im Voranmeldungszeitraum 08/02.

Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Geschäftsvorfälle ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Unter dem 17. Januar 2003 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten den Erlass von Nachzahlungszinsen in Höhe von 257.181,00 EUR.

Die Zinsfestsetzung sei sachlich unbillig, weil ihr kein Liquiditätsvorteil entstanden sei. Die G habe aus den Geschäftsbesorgungsleistungen der Klägerin das Recht auf Vorsteuerabzug erhalten. Da die Klägerin seit dem 07. November 1996 Organträgerin der G sei, übe sie dieses...

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