Sofern derartige Lieferungen und Leistungen an Unternehmer in anderen Mitgliedstaaten erbracht werden, wird die Umsatzsteuerschuld auf die im Ausland ansässigen Unternehmer übertragen, sei es als innergemeinschaftlicher Erwerb bei körperlichen Gegenständen oder als Reverse Charge-Verfahren bei sonstigen Leistungen, analog zu § 13b UStG. Im Leistungsaustausch zwischen Unternehmern treffen den inländischen Leistenden daher keine Erklärungs- und Steuerzahlungspflichten im EU-Ausland.

Bei Leistungen an Nichtunternehmer ist dies anders. Da dem Nichtunternehmer nicht zugemutet werden kann, Umsatzsteuer auf aus dem EU-Ausland empfangene Waren und Dienstleistungen abzuführen, bleibt der leistende inländische Unternehmer Schuldner der im Ausland zu entrichtenden Umsatzsteuer. Dies führt bei international tätigen Unternehmen zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand, da sie sich in jedem einzelnen Land, in dem sie steuerpflichtige Umsätze ausführen, für umsatzsteuerliche Zwecke bei den dortigen Finanzbehörden registrieren und – unter Beachtung des jeweiligen Landesrechts – Steueranmeldungen abgeben müssen. Die internen und externen Kosten bei Beauftragung von lokalen Steuerberatern im Ausland betragen schnell mehrere Tausend Euro pro Jahr und Land.

Das OSS-Verfahren, dem zuvor in einem eingeschränkten Umfang das Mini-OSS-Verfahren (MOSS) vorangegangen war, bietet hier für die Unternehmer grundsätzlich eine erhebliche Erleichterung. Der Grundgedanke des OSS-Verfahrens ist, dass sich der Unternehmer nur in seinem Ansässigkeitsstaat bei der zuständigen Behörde registriert und dann vierteljährlich eine besondere Voranmeldung abgibt, in der er die Umsätze für alle übrigen EU-Mitgliedstaaten deklariert und die Steuerschuld für jedes Land berechnet. Die Gesamtzahlung für diese ausländischen Steuerschulden leistet er dann an die zuständige inländische Behörde. In Deutschland ist das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) für die Entgegennahme dieser Meldungen und die Weiterleitung der Daten und Gelder an die ausländischen Finanzbehörden verantwortlich.[3]

Die EG-rechtlichen Vorgaben wurden mit §§ 18h bis 18k UStG in nationales Recht umgesetzt. Die Finanzverwaltung hat mit BMF-Schr. vom 1.4.2021 zu den Regelungen Stellung genommen und den UStAE entsprechend ergänzt.[4]

 

Beispiel

Der in Deutschland ansässige Konzern K bildet mit dem Organträger OT und mehreren Organgesellschaften OG einen umsatzsteuerlichen Organkreis. Die Organgesellschaft OG1 erbringt auf elektronischem Weg[5] Informationsdienstleistungen, die sie über eine Internetplattform entgeltlich Kunden in der gesamten EU anbietet.

Kunden, die bei der Registrierung auf der Plattform eine gültige USt-ID-Nr. eines anderen Mitgliedstaates hinterlegen, erhalten Rechnungen ohne Umsatzsteuer mit Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers. Kunden, die keine USt-ID-Nr. hinterlegen, erhalten Rechnungen mit der Umsatzsteuer ihres Sitzlandes. Zwar könnte OG1 diese elektronisch erbrachten Leistungen auch so lange mit deutscher Umsatzsteuer abrechnen, wie der Gesamtumsatz mit nicht-unternehmerischen EU-Kunden EUR 10.000 im vorangegangenen und laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet (§ 3a Abs. 5 S. 3 UStG). OG1 hat jedoch auf die Anwendung dieses Schwellenwertes verzichtet (ebd. Satz 4), da der mit der Überwachung der Umsätze verbundene Verwaltungsaufwand zu hoch ist.

OG1 möchte sich daher beim BZSt für die Teilnahme am OSS-Verfahren anmelden.

[3] Der Bundesrechnungshof kritisiert in seinem Bericht vom 4.11.2022 zum OSS-Verfahren, Gz.: VIII 2 – 0000699, dass die Weiterleitung der Gelder an die anderen Mitgliedstaaten derzeit nur mit vielen Monaten Verzögerung erfolgt, da zehntausende von Zahlungen durch das BZSt mangels IT-Unterstützung manuell bearbeitet werden müssen.
[5] Zu elektronisch erbrachten Leistungen vgl. Abschn. 3a.12 UStAE; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG-Komm. Stand 2021, § 3a UStG Rz. 596 ff.; Heinrichshofen in Wäger, UStG-Komm., 2. Aufl. 2022, § 3a UStG Rz. 296 ff.

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