Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer öffentlichen Zustellung, Heilung, Verjährung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Eine öffentliche Zustellung ist unwirksam, wenn das Finanzamt seiner Verpflichtung nicht nachkommt, im Vorfeld einer öffentlichen Zustellung den Aufenthaltsort des Steuerpflichtigen mit allen zumutbaren und geeigneten Maßnahmen zu ermitteln.

2) Ist der Steuerpflichtige ins Ausland verzogen und leistet der Zuzugsstaat (hier die Schweiz) keine Amtshilfe bei der Zustellung in Steuersachen, setzt eine wirksame öffentliche Bekanntmachung die vorherige Aufforderung zur Benennung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten voraus.

3) Die Heilung der fehlerhaften öffentlichen Zustellung durch Übersendung einer Bescheidkopie hat Bedeutung für den Lauf der Rechtsmittelfrist, nicht aber für die Hemmung der Festsetzungsfrist.

 

Normenkette

AO § 169 Abs. 1 S. 3 Nr. 2; VwZG a.F. § 9 Abs. 1, § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1-2; AO § 122 Abs. 5

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 05.06.2013; Aktenzeichen VIII B 89/12)

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtswirksamkeit von öffentlich zugestellten Schätzungsbescheiden bzw. die Frage, ob Einsprüche als unzulässig verworfen werden konnten.

Der Kläger war ursprünglich selbständig tätig. Vertreten und beraten wurde er von Herrn Steuerberater A, B-Straße … in … C. Empfangsvollmacht hatte Herr Steuerberater A nicht.

Der Kläger teilte dem Beklagten am 12.11.1999 mit, dass er am 10.11.1999 seine freiberufliche Tätigkeit eingestellt habe. Dem Schreiben waren Umsatzsteuererklärungen für Oktober und November 1999 beigefügt. Der Beklagte holte am 16.11.1999 eine Auskunft des Einwohnermeldeamtes ein. Darin wurde ein „Wegzug ins Ausland am 10.11.1999” bestätigt. Als „letzte Anschrift” wird die Adresse D-Straße …, … C, ausgewiesen.

Mit Schreiben vom 14.9.2001 an die Adresse D-Straße …, … C forderte der Beklagte die Kläger auf, die Einkommensteuererklärung 2000 bis zum 15. 10. 2001 abzugeben. Die Kläger teilten daraufhin mit Rückantwort vom 14.10.2001 mit, dass sie seit 1999 im Ausland lebten und deshalb zur Abgabe der angeforderten Steuererklärung nicht verpflichtet seien. Mit Schreiben vom 8.11.2001 an die Adresse in der D-Straße in C wurden die Kläger gebeten, die derzeitige Wohnungsanschrift mitzuteilen. Die Kläger geben an, dieses Schreiben vom 8.11.2001 nie erhalten zu haben. Auf einer Durchschrift dieses Schreiben in den Steuerakten des Beklagten findet sich ein handschriftlicher Vermerk „ohne Antwort”. Aus einer weiteren „Behördenauskunft”, die in den Steuerakten des Beklagten zum Streitjahr 1999 abgeheftet ist, ergab sich, dass die Kläger am 10.11.2001 nach „E/Schweiz” verzogen sind.

Mit Steuerbescheiden vom 31.10.2001 schätze der Beklagte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer für die Streitjahre. Er stellte diese Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 nach § 15 Abs. 1 Buchst. a VwZG a. F. öffentlich zu (Tag des Aushangs 16.12.2002; Tag der Abnahme 6.1.2003).

Auf der Verfügung zur öffentlichen Zustellung vom 5.12.2002 ist als Grund für die öffentliche Zustellung angegeben, dass der derzeitige Aufenthaltsort unbekannt sei und Zustellungsversuche durch die Post und Ermittlungen über den Aufenthaltsort ergebnislos geblieben seien.

Mit Einkommensteuerbescheiden vom 11.3.2003 hat der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung für die Streitjahre aufgehoben. Diese Bescheide wurden ebenfalls gemäß § 15 Abs. 1 Buchst. a VwZG a. F. öffentlich zugestellt. In der entsprechenden Verfügung vom 17.3.2003 wird die öffentliche Zustellung wiederum mit dem unbekannten Aufenthaltsort begründet. Als Tag des Aushangs ist der 25.3.2003 notiert. Tag der Abnahme war der 9.4.2003.

Die Kläger sind 2004 (Klägerin) bzw. 2005 (Kläger) wieder aus der Schweiz zurück nach C, D-Straße a, gezogen. Nach einer Vollstreckungsankündigung wegen Umsatzsteuer 1997 und 1998, die der Beklagte am 15.3.2007 an die Adresse der Kläger D-Straße a, … C zustellen ließ (Tag der Zustellung 19.3.2007), meldete sich der neue Steuerberater der Kläger, Herr F, beim Beklagten und erhielt dort die Mitteilung, dass es im Jahre 2002 öffentliche Zustellungen gegeben habe. Darauf erhielt er die öffentlich zugestellten Bescheide ausgehändigt. Die Kläger legten mit Schreiben vom 31.3.2007 (Eingang beim Beklagten am 2.4.2007) Einsprüche gegen die öffentlich zugestellten Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 ein. Dem Einspruchsschreiben waren Einkommensteuererklärungen für 1997 bis 1999 beigefügt, aus denen sich eine Steuer von jeweils 0 DM/EUR ergab. In demselben Schreiben beantragten die Kläger, für die Streitjahre Zusammenveranlagungen durchzuführen.

Mit Schreiben vom 4.4.2007 wies der Beklagten darauf hin, dass eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen 1997 bis 1999 nicht in Betracht komme, weil für diese Jahre die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen und somit der Vorbehalt der Nachprüfung entfallen sei.

Mit Schreiben vom 11.4.2007 haben sodann die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kläger nochmals „rein vors...

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