Entscheidungsstichwort (Thema)

Entlastung von Kapitalertragsteuer für nach der Liquidationsentscheidung erfolgte Ausschüttungen einer aufgelösten Tochtergesellschaft, wenn diese aus vor der Auflösung erzielten Gewinnen stammen. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VIII R 8/24)

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Der Begriff „anlässlich” der Liquidation in § 43b Abs. 1 Satz 4 EStG ist nicht auf Gewinnausschüttungen auszudehnen, die in Abgrenzung zu Bezügen nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG, wie z.B. Abwicklungs- bzw. Liquidationserlöse, durch ihren Bezug zu einem Zeitraum vor der Auflösung der Gesellschaft unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG subsumiert werden.

2) Die enge Auslegung kann sowohl mit der Gesetzesentstehung in Einklang gebracht werden, als auch mit Sinn und Zweck der Steuererstattung auf der Grundlage der Mutter-Tochter-Richtlinie der EU.

 

Normenkette

EStG § 43 Abs. 1, § 20 Nr. 1, § 50d Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Aktenzeichen VIII B 145/22)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin die begehrte Kapitalertragsteuer-Erstattung im Zusammenhang mit Gewinnausschüttungen, die sie während der gesellschaftsrechtlichen Abwicklung ihrer Tochtergesellschaft erhalten hat, auf der Grundlage von § 50d Abs. 1 EStG i.V.m. § 43b Abs. 1 EStG zusteht.

Die Klägerin ist eine juristische Person in der Rechtsform einer Sociéte Anonyme (S.A., vergleichbar einer deutschen Aktiengesellschaft) mit Sitz in Luxemburg. Sie war alleinige Gesellschafterin der in Deutschland ansässigen E GmbH. Diese wurde zum … 2010 aufgelöst (vgl. Gesellschaftsbeschluss vom … 2010) und befand sich anschließend in Liquidation. Am … 2015 wurde sie im Handelsregister gelöscht.

Mit ihrem am 8. Dezember 2015 beim Beklagten eingegangenen Antrag begehrte die Klägerin die Erstattung deutscher Abzugsteuer auf Kapitalerträge i.H.v. … € (KapESt i.H.v. … € sowie SolZ i.H.v. … €) aus zwei Gewinnausschüttungen (Ausschüttungsbeschlüsse vom … 2013 über … € und vom … 2013 über … €, Auszahlungen am …. sowie am … 2013). Der Beklagte lehnte den Antrag zunächst mit Bescheid vom 22. September 2016 im Hinblick auf eine erteilte Freistellungsbescheinigung (vom 18. Oktober 2013) ab, erließ jedoch unter dem 17. November 2016 einen Änderungsbescheid, in dem er eine Erstattung i.H.v. insgesamt … € (KapESt i.H.v. … € sowie SolZ i.H.v. … €) gewährte. Hintergrund war, dass das Finanzamt P als zuständiges Betriebstätten-Finanzamt die Freistellungsbescheinigung für nicht anwendbar erachtet hatte, da es sich nach seiner Auffassung bei den Ausschüttungen um Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG und nicht um freigestellte Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehandelt habe. Eine Vollabhilfe über den Reststeuersatz von 10 % hinaus versagte der Beklagte im Hinblick darauf, dass die einschlägigen DBA-Regelungen dem Quellenstaat ein Besteuerungsrecht i.H.v. 10 % beließen.

Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Entscheidung vom 12. September 2019 als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen von § 43b Abs. 1 Satz 1 EStG, auf den sich die Klägerin als Anspruchsgrundlage berufe, seien nicht gegeben. Diese Norm setze Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG voraus, während vorliegend von solchen nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG auszugehen sei. Selbst wenn § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bejaht werden könnte, folge aus § 43b Abs. 1 Satz 4 EStG die Nichtanwendbarkeit von § 43b Abs. 1 Satz 1 EStG. Denn zweifellos handele es sich um Ausschüttungen anlässlich der Liquidation der Tochtergesellschaft, für die Satz 4 die Anwendbarkeit von Satz 1 ausschließe. Diese Regelungen stünden auch im Einklang mit der Mutter-Tochter-Richtlinie der EU (Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30. November 2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl EU L 345, S. 8, nachfolgend MTR).

Die Entlastung sei zutreffend auf Grundlage des mit Luxemburg bestehenden DBA bis zu einem Reststeuersatz von 10 % erfolgt, Art. 13 Abs. 4 DBA-Luxemburg.

Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin weiterhin ihr Begehren einer vollständigen Erstattung der unstreitig einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer.

Nach ihrer Auffassung sei § 43b EStG i.V.m. § 50d Abs. 1 EStG in Bezug auf die MTR teleologisch ergänzend auszulegen, so dass bei Bezügen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG eine Kapitalertragsteuererstattung erfolgen könne.

Der sachliche Anwendungsbereich von Art. 1 MTR erfasse Gewinnausschüttungen, ohne diese spezifisch zu definieren. Nach der Begründung des Rates der Europäischen Union ziele die MTR darauf ab, „Dividendenzahlungen und andere Gewinnausschüttungen” von Tochtergesellschaften an ihre Muttergesellschaften zu befreien. Art. 5 Abs. 1 MTR verdeutliche, dass darunter sämtliche Arten von Gewinnausschüttungen und damit auch Ausschüttungen im Rahmen einer Liquidation zu verstehen seien. Eine Einschränkung auf Ausschüttungen, wie auf nationaler Ebene nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 43b EStG, solle gemäß MTR ausdrücklich nicht stattfinden...

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