Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung der kontoführenden Bank bei voller Auszahlung eines vererbten Bankguthabens

 

Leitsatz (redaktionell)

Gem. § 20 Abs. 6 Satz 2 ErbStG haften Personen, in deren Gewahrsam sich Vermögen des Erblassers befindet, in Höhe des ausgezahlten Betrags für die Erbschaftsteuer, soweit sie das Vermögen vorsätzlich oder fahrlässig vor Entrichtung oder Sicherstellung der Erbschaftsteuer außerhalb des Geltungsbereichs des ErbStG wohnhaften Berechtigten zur Verfügung stellen. Diese Haftung trifft eine Bank, die ohne Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes ein Kontoguthaben vollständig auszahlt, das in den Nachlass gefallen war, sowohl für dieses Guthaben als auch für weitere Konten und Guthaben des Erblassers, die nicht in den Nachlass gefallen, sondern durch Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall außerhalb des Erbgangs übertragen worden sind.

 

Normenkette

ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 4; BGB §§ 328, 330-331; ErbStG § 20 Abs. 6 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.03.2009; Aktenzeichen II R 51/07)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte die Klägerin zu Recht auch insoweit gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung 1977 (AO) i. V.m. § 20 Abs. 6 Satz 2 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) als Haftungsschuldnerin für nicht beizutreibende Erbschaftsteuer in Anspruch genommen hat, als diese auf Bankguthaben entfällt, die der Erblasser der Bedachten (und gleichzeitigen Alleinerbin) aufgrund von Verträgen zugunsten Dritter (VzD) auf den Todesfall (§§ 328, 330, 331 BGB) zugewandt hatte (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG).

Der zwischen dem 4. und 6. März 2001 in der Stadt L verstorbene Herr F (Erblasser) hatte mit notariellem Testament vom 12. Januar 2000 seine Lebensgefährtin Frau R zur Alleinerbin eingesetzt und für den – hier tatsächlich eingetretenen – Fall ihres Vorversterbens deren in den USA lebende Tochter Frau I zur Ersatzerbin berufen. Darüber hinaus hatte er am 15. Mai 2000 mit der Klägerin einen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall abgeschlossen, in dem er Frau I als Begünstigte hinsichtlich seines bei der Klägerin geführten Sparkontos Nr. 1 benannte. Nach Tz. 3 der Vereinbarungen, wegen deren weiterem Inhalt auf die Vertragsurkunde Bezug genommen wird, waren sich die Klägerin und der Erblasser u.a. darüber einig, dass mit dessen Tode „… das Forderungsrecht aus den oben aufgeführten Sparguthaben … nicht in den Nachlass fällt, sondern gemäß § 331 BGB unmittelbar auf die Begünstigte übergeht”.

Ausweislich einer am 29. März 2001 bei dem Beklagten eingegangenen Anzeige der Klägerin über die Verwahrung und Verwaltung fremden Vermögens (§ 33 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 1 Erbschaftsteuer-DurchführungsverordnungErbStDV) hatte der Erblasser neben dem im Zeitpunkt seines Todes mit 100.082 DM valutierenden Sparkonto Nr. 1 und einem Stahlfach ein weiteres Konto (Nr. 2) besessen, das zu dem genannten Stichtag ein Guthaben i.H. von 101.269 DM auswies. Unter der Rubrik „Bemerkungen” enthielt die Anzeige der Klägerin einen ausdrücklichen Hinweis auf den für das erstgenannte Konto (Nr. 1) bestehenden VzD sowie Namen und (ausländischen) Wohnort der durch ihn begünstigten Person.

Nachdem Frau I der wiederholten Aufforderung des Beklagten, eine Erbschaftsteuererklärung einzureichen, trotz Fristverlängerung nicht nachgekommen war, schätzte der Beklagte – ausgehend von der Anzeige der Klägerin sowie einer weiteren Anzeige der Bank K vom 8. Juni 2001 über ein Frau I ebenfalls durch VzD auf den Todesfall zugewandtes Kontoguthaben von 18.524 DM – deren „Erbanteil” auf insgesamt 199.875 DM (= Guthaben Konto Nr. 2 i.H. von 101.269 DM + Guthaben Konto Nr. 1 i.H. von 100.082 DM + Guthaben Konto Nr. 3 bei der Bank K i.H. von 18.524 DM./. Erbfallkosten-Pauschbetrag i.H. von 20.000 DM) und setzte mit Bescheid vom 15. November 2002 – adressiert an ihre US-amerikanische Wohnanschrift – Erbschaftsteuer i.H. von 22.319,94 EUR (= 43.654 DM) gegen sie fest.

Da Frau I diesen Betrag ungeachtet der dem Bescheid beigefügten Zahlungsaufforderung in der Folgezeit nicht beglich, brachte der Beklagte am 8. April 2003 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung aus, mit der er wegen der rückständigen Erbschaftsteuerforderung i.H. von 22.319,56 EUR gegen Frau I die bei der Klägerin unterhaltenen Konten des Erblassers pfändete. Der Beitreibungsversuch blieb erfolglos. Die Klägerin hatte – wie sie dem Beklagten im Anschluss an ihre Drittschuldnererklärung auf Nachfrage mit Schreiben vom 29. April 2004 mitgeteilt hat – sowohl das Girokonto Nr. 2 als auch das Sparkonto Nr. 1 bereits am 8. Juni 2001 bzw. 16. März 2001 aufgelöst und die Guthabenbeträge an Frau I ausgezahlt, ohne zuvor die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung beim Beklagten zu beantragen.

Nachdem der Beklagte der Klägerin gemäß § 91 AO Gelegenheit gegeben hatte, zu ihrer beabsichtigten Heranziehung als Haftungsschuldnerin nach § 20 Abs. 6 ErbStG i.V.m. § 191 AO Stellung zu nehmen, erteilte er ihr unter dem 29. Juli 2004 einen Haftungsbescheid, mit dem er sie für...

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