Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Erwerbsobliegenheit

 

Leitsatz (redaktionell)

Zum Umfang der Erwerbsobliegenheit naher Angehöriger im Rahmen des § 33a EStG.

 

Normenkette

BGB § 1602 Abs. 1, § 1603 Abs. 1; EStG § 33a Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.04.2015; Aktenzeichen VI R 5/14)

 

Tatbestand

Die 1969 geborene Klägerin wohnte im Streitjahr (2008) mit ihren beiden minderjährigen Kindern im Bezirk des Beklagten. Von ihrem Ehemann lebte sie getrennt und wurde alleine zur Einkommensteuer veranlagt. Sie war als Betriebswirtin nichtselbständig tätig. Ihr Nettoeinkommen betrug im Streitjahr rund 19.000 EUR.

Die Klägerin ist das einzige Kind der 1948 geborenen und im Streitjahr 60 Jahre alten Frau A. Diese ist geschieden und lebte im Streitjahr alleine in B (Russland). Sie war nicht erwerbstätig und bezog eine Altersrente in Höhe von jährlich 46.878 Rubel. Diese war ihr in Übereinstimmung mit dem einschlägigen Gesetz der Russischen Föderation ab Vollendung ihres 55. Lebensjahres im Jahr 2003 gezahlt worden. Außerdem bezog die Mutter staatliche Sozialleistungen in Höhe von 32.538 Rubel. Insgesamt hatte sie damit im Streitjahr 79.416 Rubel zur Verfügung. Der Betrag ist in Übereinstimmung mit den Beteiligten auf 2.173 EUR umgerechnet worden. Vermögen hatte die Mutter nicht.

Die Klägerin unterstützte ihre Mutter im Streitjahr wie folgt. Während einer Besuchsreise nach B (Russland) übergab die Klägerin ihrer Mutter im Januar einen Bargeldbetrag im Wert von umgerechnet 600 EUR, welchen die Klägerin in Deutschland von ihrem Konto abgehoben hatte. Von März bis Mai war die Mutter bei der Klägerin in C zu Besuch. Die Wohnung hier ist etwa 100 m² groß; für die Mutter stand ein eigenes Zimmer zur Verfügung. Während ihres Aufenthaltes übernahm die Mutter zur Entlastung der Klägerin die Haushaltsführung. Die Mutter brauchte für die Unterbringung und Verpflegung nichts zu zahlen. Die Klägerin wandte hierfür – anteilig – mindestens 10 EUR pro Tag und während der drei Monate insgesamt 900 EUR auf. 300 EUR übergab die Klägerin der Mutter im April in bar für die Anschaffung von Kleidung. Kurz vor der Rückreise, Ende Mai, erhielt die Mutter von der Klägerin nochmals 600 EUR, um deren Lebensunterhalt bis zum Jahresende zu sichern. Im November zahlte die Klägerin 97 EUR für eine Krankenversicherung der Mutter, deren nächster Besuch in C für Anfang 2009 geplant war.

Die Mutter unterstützte im Streitjahr ihre eigene 1926 geborene Mutter D, die verwitwete Großmutter der Klägerin. Diese lebte alleine in einer Wohnung in E in der Ukraine. Sie hatte 2007 einen Schlaganfall erlitten und benötigte danach lebenslange Pflege. Wegen des Krankheitsbildes wird auf die ärztliche Auskunft vom 16.07.2012 verwiesen (Bl. 73 FG-Akte). Eine Tagespflege bekam sie nicht. An drei Werktagen pro Woche erhielt sie Besuch von Mitarbeitern eines ambulanten Pflegdienstes – das „… –, die ihr bei den notwendigsten Verrichtungen des täglichen Lebens halfen. Diese Aufgaben übernahmen an den anderen Tagen und den Wochenenden auf freiwilliger Basis die Nachbarn der Großmutter, soweit es ihnen möglich war. Dabei kam es allerdings immer wieder zu plötzlichen und unerwarteten Engpässen. In solchen Fällen reiste die Mutter der Klägerin jeweils kurzfristig an, um die Pflege zu übernehmen und zwar im Streitjahr vom 30.06. bis 27.07. und vom 08.09 bis 17.10. Zwischen B (Russland) und E bestand eine direkte Flugverbindung; ein Flug dauerte rund zwei Stunden. Die Mutter der Klägerin musste allerdings die Einreisebestimmungen der Ukraine beachten, wonach die Aufenthaltsdauer für ausländische Bürger dort auf maximal 90 Tage pro Halbjahr begrenzt ist. Zudem musste sich die Mutter selbst in B (Russland) einer regelmäßigen medizinischen Behandlung unterziehen.

In der Einkommensteuererklärung beantragte die Klägerin, als Unterhaltsleistungen für ihre Mutter insgesamt 2.685 EUR abzuziehen. Zuletzt sind davon noch 2.497 EUR streitig geblieben, nämlich die drei Bargeldübergaben in Höhe von 600 EUR, 300 EUR und 600 EUR, die Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von 900 EUR sowie die Kosten für die Krankenversicherung in Höhe von 97 EUR.

Durch Bescheid vom 03.01.2010 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr fest, ohne die geltend gemachten Unterstützungszahlungen zu berücksichtigen. Zur Begründung stützte er sich auf die Rechtsauffassung des BMF, wonach bei im Ausland lebenden Personen im erwerbsfähigen Alter bis 65 Jahre grundsätzlich davon auszugehen sei, dass diese ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit verdienen. Die unterhaltsberechtigte Person habe ihre Arbeitskraft zur Bestreitung des Lebensunterhalts auszuschöpfen. Sie treffe eine Erwerbsobliegenheit.

Mit dem Einspruch wandte sich die Klägerin im Wesentlichen gegen die zugrunde gelegte Altersgrenze und vertrat den Standpunkt, dass das frühere Renteneintrittsalter in der Russischen Föderation sowie die dortige Arbeitsmarktsituation berücksichtigt werden müssten. Wegen der Einzelheiten wird auf ...

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