Entscheidungsstichwort (Thema)

Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Das Bestehen einer der deutschen beschränkten Steuerpflicht ähnlichen Einkommensteuer i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG im Wohnsitzstaat ist durch Vergleich der Vorschriften des Wohnsitzstaates mit § 49 EStG festzustellen.

2) Ob der Steuerpflichtige tatsächlich zu der Einkommensteuer im Wohnsitzstaat herangezogen wird, ist unerheblich.

3) Eine "Ähnlichkeit" besteht auch dann, wenn das dem deutschen EStG für die beschränkte Steuerpflicht innewohnende Territorialitätsprinzip im Wohnsitzstaat als allgemeines Besteuerungsprinzip gilt.

 

Normenkette

EStG § 72 Abs. 1 Nr. 3, § 1 Abs. 2 Nr. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung (BP) gegen die Klägerin ergangene Haftungsbescheid vom 06.02.2006 rechtmäßig ist.

Soweit die Klägerin zunächst mit ihrer Klage auch die Änderung von Lohnsteuervoranmeldungen sowie die Erstattung zu viel gezahlter Beträge beantragt hatte, hat sie diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gestellt.

Die Klägerin ist eine … Stiftung des öffentlichen Rechts, die durch … vom 00.00.0000 errichtet wurde. Im Gesetz war unter § 3 Abs. 2 Nr. 2 vorgesehen, dass die Möglichkeit bestehe, dass das P Institut C der E e.V. übernommen werde. Die Übernahme erfolgte durch Vertrag vom 00.00.0000. Die Klägerin wird nach den Feststellungen der BP zu 100% vom …ministerium für … finanziert. Gemäß § 11 des Errichtungsgesetzes untersteht die Klägerin der Rechtsaufsicht des …ministeriums für …. Die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Klägerin unterliegt der Prüfung durch den …rechnungshof. Die jährlichen Zuwendungen des Bundes an die Klägerin werden im …haushalt ausgewiesen. Nach § 12 des Errichtungsgesetzes werden auf die Beschäftigten der Klägerin die Tarifverträge und sonstigen Bestimmungen für Arbeitnehmer des Bundes angewandt.

Die Klägerin hatte in den Streitjahren den am P Institut in C tätigen Arbeitnehmern, Frau H und Herrn S, Kindergeld ausgezahlt. H und S sind beide deutsche Staatsbürger. Sie lebten in den Jahren 2003 bis 2005 mit ihren Familien in C. Einen Wohnsitz in Deutschland hatten sie in diesem Zeitraum nicht. H ist alleinerziehend und hat vier Kinder, S ist verheiratet und hat drei Kinder. Die Ehefrau von S erzielte in den Streitjahren keine Einkünfte. Die von der Klägerin zu zahlenden Gehälter wurden für H auf ein Konto bei der Bank D überwiesen, die für S auf ein Konto bei der F Bank in L.

Sowohl H als auch S wurden vom beklagten Finanzamt nach § 1 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Einkommensteuer veranlagt. Einsprüche dagegen mit dem Ziel, nach § 1 Abs. 2 EStG veranlagt zu werden, waren unter Hinweis auf die nicht differierende Steuerhöhe erfolglos.

Die Klägerin war in den Streitjahren davon ausgegangen, dass H und S kindergeldberechtigt waren, sodass sie als gemäß § 72 Abs.1 Nr. 3 EStG berechtigte Kindergeldkasse beiden Arbeitnehmern Kindergeld ausgezahlt und im Jahr 2003 bei ihren Lohnsteueranmeldungen einbehalten hatte.

Der Lohnsteueraußenprüfer hatte demgegenüber die Rechtmäßigkeit der Zahlungen seitens der Klägerin laut Tz. 1 seines Berichtes vom 20.12.2005 verneint und wie folgt begründet: Nach § 62 Abs. 1 EStG könne Kindergeld nur gezahlt werden, wenn ein inländischer Wohnsitz oder ein Wohnsitz in einem EU/EWR Mitgliedstaat vorliege. Sofern der Wohnsitz in einem Nicht-EU/EWR Mitgliedsstaat liege, könne Kindergeld nur gezahlt werden, wenn die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG gegeben sei. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien bei den Beschäftigten des P Instituts nicht erfüllt, da die beschränkte Einkommensteuerpflicht im … nicht nachgewiesen worden sei. Trotz mehrfacher Aufforderungen sei keine Bescheinigung der … Steuerbehörde über die Einkommensteuerpflicht der Beschäftigten des P Institutes im … eingereicht worden. – Wegen weiterer Ausführungen des Prüfers wird auf den bei den Akten befindlichen BP-Bericht verwiesen.

Dementsprechend erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin am 06.02.2006 einen Haftungsbescheid, der zum einen die Rückforderung von Kindergeld enthält, das in 2003 an die Arbeitnehmer H und S i.H.v. insgesamt … EUR (an H für drei Kinder sechs Monate lang = … EUR, an S für drei Kinder sechs Monate lang = … EUR) ausgezahlt und bei den Lohnsteueranmeldungen abgezogen worden war. Zudem enthält der Haftungsbescheid Lohnsteuern sowie Solidaritätszuschlag auf sämtliche in 2003 bis 2005 – nach Auffassung des Beklagten zu Unrecht – geleistete Kindergeldzahlungen, die den Arbeitnehmern H und S zugeflossen sind und vom Beklagten als unversteuerter Lohn behandelt wurden. Kindergeldzahlungen an H und S erfolgten nach den Feststellungen der Lohnsteueraußenprüfung im Jahr 2003 jeweils sechs Monate mit insgesamt … EUR, im Jahr 2004 jeweils zwölf Monate mit insgesamt … EUR, in 2005 jeweils zehn Monate mit insgesamt … EUR. Die Zahlungen in 2003 bis 2005 führten bei H zu einem Bruttobez...

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