rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

One-Stop-Shop-Verfahren (OSS-Verfahren); Umfang der Prüfungsbefugnis d. Finanzbehörde bei Teilnahme des Stpfl. am OSS-Verfahren; Organschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der beschließende Senat vermag das vom Antragsgegner für sich reklamierte Prüfungsrecht nicht zu erkennen. Weder aus § 18j UStG unter Berücksichtigung der MwStSystRL, aus der MwStVO und der Zusammenarbeits-DVO, noch aus der Zusammenarbeitsverordnung (VO (EU) Nr. 904/2010 des Rates v. 7.10.2010) lässt sich ein Prüfungsrecht in materieller Hinsicht für den Staat der Registrierung/Identifizierung herleiten.

2. Zwar gibt es in § 18j UStG – beruhend auf den Regelungen der MwStSystRL – verfahrensrechtliche Regelungen zur Registrierung sowie zur Ablehnung oder zum Ausschluss der Teilnahme am OSS-Verfahren. Auch gibt es die Verpflichtung zur Erklärungsabgabe. Ein materielles Prüfungsrecht der Daten ist jedoch, ebenso wie in der MwStSystRL, zu Gunsten des Staates der Registrierung/Identifizierung nicht vorgesehen.

3. Der Senat vermag bei summarischer Überprüfung nicht zu erkennen, dass eine Betriebstätte/feste Niederlassung einer Organgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat die Erklärung unter das OSS-Verfahren fallender Umsätze für die gesamte Organschaft in diesem Mitgliedstaat ausschließt.

 

Normenkette

UStG §§ 3a, 2 Abs. 2 Nr. 2; MwStSystRL Art. 11, 369g; UStG § 18j

 

Tatbestand

I.

Bei der Antragstellerin handelt es sich um einen im Inland ansässigen internationalen Konzern in der Rechtsform einer AG.

Die Antragstellerin nahm seit dem 1. Januar 2015 als Organträgerin am Mini-One-Stop-Shop-Verfahren (MOSS-Verfahren) teil. Unter dem 29. Juni 2021 registrierte sie sich für das ab dem 1. Juli 2021 geltende One-Stop-Shop-Verfahren (OSS-Verfahren). Die Registrierung umfasste sie als Organträgerin sowie … Organgesellschaften (u.a. V, Z GmbH, Y AG, X GmbH, U Vertriebsgesellschaft mbH, Y1 GmbH, Y2 GmbH (Y2 GmbH)). Ebenso enthielt die Registrierung Angaben zu … festen Niederlassungen im EU-Ausland (Frankreich, Italien, Spanien, Niederlande, Griechenland, Portugal, Polen, Dänemark, Schweden; vgl. Bl. 20ff. eFG-Akte).

Das in § 18j UStG geregelte OSS-Verfahren ist ein besonderes Besteuerungsverfahren, das unter anderem von in der EU ansässigen Unternehmern in den Fällen genutzt werden kann, in denen sie im Staat des Verbrauchs von ihnen erbrachter sonstiger Leistungen nicht ansässig sind. Es dient insbesondere der Verfahrensvereinfachung, da die teilnehmenden Unternehmer sämtliche unter § 18j UStG fallende Leistungen in einer Erklärung zusammengefasst im Staat ihrer Registrierung erfassen und sich in den anderen EU-Mitgliedstaaten, in denen ihre Leistungen der Steuerpflicht unterliegen, weder jeweils registrieren lassen noch dort unmittelbar Steuererklärungen einreichen müssen.

In der Folgezeit übermittelte die Antragstellerin jeweils nach Abschluss des Quartals Steuererklärungen im OSS-Verfahren (am 27. Oktober 2021 für 3. Quartal 2021; am 24. Januar 2022 für 4. Quartal 2021; am 27. April 2022 für 1. Quartal 2022; am 27. Juli 2022 für 2. Quartal 2022; am 20. Oktober 2022 für 3. Quartal 2022; am 20. Januar 2023 für 4. Quartal 2022) und zahlte die erklärten Steuerbeträge (vgl. Bl. 26ff. eFG-Akte).

Der Antragsgegner leitete weder den Inhalt der Steuererklärungen noch die erhaltenen Steuerbeträge an die betroffenen Mitgliedsstaaten weiter. Nach seiner Auffassung sind die von der Antragstellerin abgegebenen Erklärungen im Hinblick auf § 18j Abs. 1 Satz 4 2. HS UStG inhaltlich nicht zutreffend. Aus dieser Regelung folge, dass sämtliche sonstige Leistungen an Empfänger nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG in Mitgliedstaaten, in denen eine Gesellschaft des Organkreises, deren Organträger die Antragstellerin sei, eine Betriebstätte unterhalte, nicht im OSS-Verfahren erklärt werden dürften (vgl. Abschn. 18j.1. Abs. 1 Satz 4 UStAE). An diese Vorgabe habe sich die Antragstellerin unstreitig nicht gehalten. Sie habe insgesamt … feste Niederlassungen im EU-Ausland registriert und trotzdem in den Erklärungen im OSS-Verfahren auch steuerpflichtige Umsätze in den Staaten dieser Niederlassungen erklärt.

Bereits vor Inkrafttreten der OSS-Regelung hatte sich die Antragstellerin an den Antragsgegner gewandt und insbesondere unter Verweis auf das Verständnis des OSS-Verfahrens in anderen EU-Mitgliedstaaten darauf hingewiesen, dass nach ihrer Auffassung von der in § 18j Abs. 1 Satz 4 UStG enthaltenen Ausnahme nur Umsätze der Organgesellschaft betroffen sein könnten, zu der die jeweilige ausländische Betriebstätte gehöre (vgl. Schreiben vom 21. Juni 2021, Bl. 93, 131ff. eFG-Akte). Ein entsprechendes Verständnis legte sie auch ihren Erklärungen zu Grunde.

Die seit diesem Schreiben der Antragstellerin und der ersten Erklärungsabgabe am 27. Oktober 2021 andauernden Überprüfungen sowie Rücksprachen des Antragsgegners mit dem BMF mündeten in einer E-Mail des Antragsgegners an die Antragstellerin vom 16. Januar 2023 (vgl. Bl. 199ff. eFG-Akte). Hierin schlug der Ant...

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