Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassungsanspruch des Rückzahlungsschuldners gegen den Inkasso-Service der Bundesagentur für Arbeit bei fortwährender Versendung von Mahnungen wegen einer Kindergeldrückforderung der Wohnsitz-Familienkasse

 

Leitsatz (amtlich)

Wird der Inkasso-Service der Bundesagentur für Arbeit wegen einer Kindergeldrückforderung der Wohnsitz-Familienkasse im Erhebungsverfahren tätig, etwa, indem er den Rückforderungsschuldner nach § 256 AO zur Zahlung auffordert, und stellt er trotz mehrfacher Aufforderung dieses Verhalten wegen seiner sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit zu unterlassen nicht ein, so kann er im Wege des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs analog § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Anspruch genommen werden.

 

Normenkette

AO § 256; BGB § 1004

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten, die - auch während des Klageverfahrens fortdauernde - Anmahnung einer Forderung der Bundesagentur für Arbeit, Familienkasse Nord (im Folgenden: "Familienkasse Nord") auf Rückzahlung von Kindergeld zu unterlassen.

Mit Bescheid vom 16. August 2019 hob die Familienkasse Nord gegenüber dem Kläger die Festsetzung des Kindergeldes für seine beiden Kinder A und B für den Zeitraum von August 2018 bis einschließlich Dezember 2018 auf und forderte ihn zur Rückzahlung des in diesem Zeitraum erhaltenen Kindergeldes in Höhe von ... EUR auf. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid keinen Einspruch ein.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 2019 lehnte die Familienkasse Nord einen vom Kläger gestellten Antrag auf Erlass der Rückzahlungsforderung aus dem Bescheid vom 16. August 2019 ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch vom 21. November 2019 wurde mit der Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2020 von der Familienkasse Nord als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2020 lehnte die Familienkasse Nord einen Stundungsantrag des Klägers ab. Ein Einspruch gegen diesen Bescheid wurde vom Kläger nicht erhoben.

Im Zeitraum zwischen dem 19. November 2019 und dem 13. Oktober 2021 wandte sich die Beklagte mit insgesamt dreizehn Schreiben an den Kläger, nämlich den Schreiben vom 19. November 2019, 30. April 2020, 1. Oktober 2020, 30. Oktober 2020, 5. Januar 2021, 21. Januar 2021, 18. Februar 2021, 19. März 2021, 21. April 2021, 21. Mai 2021, 5. August 2021, 13. Oktober 2021 sowie 16. November 2021 und forderte ihn jeweils zur Zahlung der aus dem Bescheid vom 16. August 2019 resultierenden Forderung zuzüglich der bis zu diesem Zeitpunkt jeweils entstanden Säumniszuschläge binnen einer bestimmten Frist, teils unter Androhung der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen, auf.

Mit Schreiben vom 28. Mai 2021 wandte sich der Kläger an die Beklagte und teilte dieser mit, dass er ihr Schreiben vom 21. Mai 2021 erhalten habe. Er wies darauf hin, dass aus seiner Sicht gegenüber der Beklagten keine Zahlungsverpflichtung bestehe und führte wörtlich aus: "bitte ich habe keine forderung bei Sie; inkasso-service; danke.

Die Bundesagentur für Arbeit, Familienkasse Nordrhein-Westfalen Nord ("Familienkasse Nordrhein-Westfalen Nord") behandelte das Schreiben des Klägers vom 20. Mai 2021 als Einspruch, den sie mit Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 2021 als unzulässig verwarf. Sie führte aus, dass sich der Einspruch gegen die Erhebung von Säumniszuschlägen richte, welche dem Grunde und der Höhe nach kraft Gesetzes entstünden. Es fehle mithin bei der Festsetzung von Säumniszuschlägen an einem Regelungsgehalt, sodass es sich bei dem Schreiben vom 21. Mai 2021 um einen Realakt, nicht hingegen um einen Verwaltungsakt handele.

Der Kläger hat am 30. Juli 2021 Klage erhoben. Zwar werde das Bestehen und die Höhe der aus dem Bescheid vom 16. August 2019 resultierenden Rückforderung von Kindergeld nicht bestritten, allerdings bestehe die Forderung gegenüber der Familienkasse Nord, nicht gegenüber der Beklagten. So seien durch seine Ex-Frau, welche sich im Innenverhältnis ihm gegenüber zur Rückzahlung des überzahlten Kindergeldes an die Familienkasse Nord verpflichtet habe, bereits große Teile der Forderung beglichen worden. Durch die regelmäßigen Zahlungen seiner Ex-Frau sei nur noch ein Betrag von ... EUR zuzüglich Säumniszuschlägen - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - ausstehend. Es gehe ihm mit der Klage vor allem darum, dass die Zahlungsaufforderungen der Beklagten, die keine Forderung gegen ihn habe, aufhörten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

der Beklagten aufzugeben es zu unterlassen, den Kläger dazu aufzufordern, dass er die aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit, Familienkasse Nord vom 16. August 2019 resultierende Forderung samt Säumniszuschlägen binnen einer bestimmten Frist zu begleichen hat und das andernfalls Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen würden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt aus, dass ihr die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH, Urteil vom 25. Februar 2021 - III R 36/19 -, BFHE 272, 19, BStBl II 2021, 712) bekannt sei, wonach der Vorstand der Bundesagentur ...

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