Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeit eines Steuerbescheids

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, der Behörde die Vollstreckung eines nichtigen Verwaltungsaktes zu untersagen.

Nichtigkeit eines Steuerbescheides im Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung wegen fehlender Begründung und nicht erkennbaren Schätzungserwägungen.

 

Normenkette

AO § 121 Abs. 1, § 125 Abs. 1, § 157

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.03.2009; Aktenzeichen VII R 40/08)

BFH (Urteil vom 17.03.2009; Aktenzeichen VII R 40/08)

 

Tatbestand

Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Polen. Mit Steuer- und Zinsbescheid vom 10.5.2005 nahm das beklagte Hauptzollamt den Kläger auf Zahlung von Einfuhrabgaben (Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer) sowie Zinsen in Höhe von insgesamt € 24.587.740,55 in Anspruch. In dem Steuer- und Zinsbescheid vom 10.5.2005 heißt es:

"Nach den Ermittlungen des Zollfahndungsamts A haben Sie sich der gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Steuerhinterziehung in mindestens 60 Fällen im Zeitraum vom 18.09.2001 bis 23.06.2003 schuldig gemacht, indem Sie, gemeinschaftlich handelnd mit weiteren, gesondert verfolgten Personen unverzollte und unversteuerte Zigaretten aus Polen in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingeschmuggelten, um diese über Deutschland nach Großbritannien weiter zu transportieren und dort gewinnbringend abzusetzen ... Bei jedem vorschriftswidrigen Verbringen wurden mindestens 14.000 Stangen (2.800.000 Stück) Zigaretten eingeschmuggelt, so dass von einem Gesamtvolumen von mindestens 168.000.000 Stück Zigaretten ausgegangen werden muss. Nach dem o.a. Zeitraum konnten weitere Schmuggeltransporte nachgewiesen werden (s. Abgabenberechnung). Durch das vorschriftswidrige Verbringen in das Zollgebiet der Gemeinschaft ist die Einfuhrabgabenschuld entstanden. Sie sind Schuldner der Einfuhrabgaben, weil Sie an dem Verbringen beteiligt waren, obwohl Sie wussten, dass Sie damit vorschriftswidrig handeln. Als Einfuhrzeitpunkt und damit maßgeblich für die Anwendung der Zollvorschriften wird das jeweils vom Zollfahndungsamt ermittelte Datum angenommen. Soweit das vorschriftswidrige Verbringen keinem konkreten Zeitpunkt zugeordnet werden kann, habe ich aus dem Tatzeitraum 18.09.2001 bis 23.06.2003 den 23.9.2002 als mittleren Tatzeitpunkt der Abgabenberechnung und der Zinsberechnung zu Grunde gelegt ..."

Weitere Ausführungen zum steuerschuldbegründenden Vorwurf der "gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Steuerhinterziehung in mindestens 60 Fällen" enthält der Steuer- und Zinsbescheid nicht.

Der Steuer- und Zinsbescheid vom 10.5.2005 wurde dem Kläger am 31.8.2005 durch die polnischen Finanzbehörden bekannt gegeben. Der Kläger erhob gegen den Steuer- und Zinsbescheid vom 10.5.2005 Einspruch, der am 11.10.2005 beim beklagten Hauptzollamt einging. Mit Einspruchsentscheidung vom 4.7.2006 verwarf das beklagte Hauptzollamt den Einspruch des Klägers gegen den Steuer- und Zinsbescheid vom 10.5.2005 als unzulässig. Gegen die Einspruchsentscheidung vom 4.7.2006 hat der Kläger keine Klage erhoben.

Der Kläger hat am 4.9.2007 Klage erhoben Er meint, der Steuer- und Zinsbescheid sei nichtig. Denn das beklagte Hauptzollamt habe ohne jegliche Begründung Besteuerungsgrundlagen geschätzt. Auf welchen tatsächlichen Grundlagen die vom beklagten Hauptzollamt getroffenen Feststellungen beruhten, sei dem Bescheid nicht ansatzweise zu entnehmen.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der Steuer- und Zinsbescheid des beklagten Hauptzollamtes vom 10.5.2005 (StrL .....) nichtig ist.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es ist der Ansicht, der in Rede stehende Steuer- und Zinsbescheid sei keinesfalls nichtig. Eine willkürliche Steuerschätzung liege nicht vor. Die Zigarettenmengen seien durch das Zollfahndungsamt A im Rahmen des gegenüber dem Kläger geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ermittelt worden. Auch genüge der Bescheid vom 10.05.2005 den an einen Steuerbescheid im Hinblick auf die Begründung zu stellenden Mindestanforderungen. Aus dem Steuer- und Zinsbescheid vom 10.05.2005 gingen nämlich Steuerart, Steuerbetrag, Besteuerungszeitraum und Steuerpflichtiger klar hervor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 16.01.2008 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten 4 K 307/07 und 4 V 371/07 sowie die Sachakten des beklagten Hauptzollamtes verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).

Die zulässige Nichtigkeitsfeststellungsklage führt zum Erfolg. Der Steuer- und Zinsbescheid vom 10.5.2005 ist nichtig.

Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt - und damit auch ein Steuerbescheid - nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies außerdem bei verständiger Würdigung aller in ...

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