Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftsführerhaftung

 

Leitsatz (amtlich)

In einem Anfechtungsverfahren bzgl. eines Haftungsbescheides genügt es für die Benennung des Klagegegenstandes, wenn für das Gericht aus einer Vorab-Kurzbegründung der Klage erkennbar ist, dass der Kläger den Bescheid dem Grunde nach angreift und dessen vollständige Aufhebung begehrt. Eine gleichwohl verfügte Ausschlussfrist ist dann hinfällig.

Wird ein Haftungsbescheid während des Klageverfahrens ersetzt, wird der neue Bescheid gemäß § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einräumung einer einmaligen Stellungnahmefrist entsprechend § 355 Abs. 1 AO. Eine Frist von zwei Wochen genügt regelmäßig (vgl. § 91 Abs. 1 Satz 1 FGO).

 

Normenkette

AO §§ 69, 71, 191 Abs. 1 S. 1, § 370 Abs. 1 Satz 1; FGO § 65 Abs. 2 S. 2, § 68 S. 1

 

Tatbestand

A.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides, mit dem der Kläger als Geschäftsführer der A GmbH für deren Steuerschulden in Haftung genommen wurde.

I.

1. Die durch Gesellschaftsvertrag vom 4. April 1979 (Akten Allgemeines Bl. 2 ff.) gegründete B GmbH war zunächst in C in Schleswig-Holstein ansässig. Durch Vertrag vom ..... 2007 (Akte Allgemeines, nicht paginiert) erwarb der Kläger sämtliche Geschäftsanteile. In der im unmittelbaren Anschluss abgehaltenen Gesellschafterversammlung (Protokoll in Akte Allgemeines) beschloss der Kläger die Änderung der Firma in A GmbH, die Verlegung des Sitzes nach Hamburg und die Änderung des Geschäftsgegenstands in "die gesetzlich zulässige betriebswirtschaftliche Beratung". Der bisherige Geschäftsführer wurde abberufen und der Kläger als einziger Geschäftsführer bestellt. Die Geschäftsadresse der A GmbH, die neben dem Kläger keine weiteren Angestellten beschäftigte, war die Wohnung des Klägers.

2. Die A GmbH reichte beim Beklagten ab Mai 2008 auf elektronischem Wege Umsatzsteuervoranmeldungen mit Vorsteuerüberschüssen ein, die zunächst gering waren, sich für den Monat August 2008 aber auf Euro 13.671,28 beliefen. Der steuerliche Berater der A GmbH erklärte hierzu mit Schreiben vom 9. September 2008 (Umsatzsteuerakten -UStA-, nicht paginiert), der Erstattungsanspruch beruhe darauf, dass die A GmbH eine Kompaktsteuerung exportiert habe, und fügte je eine Kopie einer Einkaufsrechnung der D GmbH, einer Verkaufsrechnung an Herrn E in F [Russland] und einer Ausfuhranmeldung, abgestempelt durch das Hauptzollamt G, bei. Für die Monate bis einschließlich April 2009 wurden entsprechende Unterlagen bzgl. derselben Lieferantin, desselben Abnehmers und des gleichen Produkts eingereicht. Insgesamt wurden folgende Vorsteuerüberschüsse erklärt:

August 2008:

€ 13.671,28

September 2008:

€ 27.322,91

Oktober 2008:

€ 95.799,19

November 2008:

€ 273.253,73

Dezember 2008:

€ 170.798,50

Januar 2009:

€ 259.642,18

Februar 2009:

€ 253.889,68

März 2009:

€ 298.622,90

April 2009:

€ 286.841,90

Der Beklagte erteilte für den Monat August die Zustimmung nach § 168 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) mit der internen Begründung, es liege keine Neugründung vor, sondern es habe zuvor eine nunmehr beendete Umsatzsteuerorganschaft bestanden. Der Beleg über eine steuerfreie Ausfuhrlieferung liege vor (UStA). Der Erstattungsbetrag wurde an die A GmbH ausgezahlt. Entsprechend verfuhr der Beklagte bis einschließlich März 2009.

II.

1. Die Veranlagungsdienststelle des Beklagten regte am 16. April 2009 bei der Betriebsprüfungsstelle des Beklagten die Durchführung einer Umsatzsteuersonderprüfung an. Mit Schreiben vom 12. Mai 2009 (Arbeitsakte Umsatzsteuersonderprüfung -UStSPA- Bl. 14) bat der Umsatzsteuersonderprüfer die Firma D GmbH in H im Wege eines Auskunftsersuchens nach § 93 AO um Mitteilung, ob sie die durch die A GmbH vorgelegten Rechnungen erstellt und ob ein entsprechender Leistungsaustausch stattgefunden habe. Die I GmbH teilte für die D GmbH mit Schreiben vom 19. Mai 2009 (UStSPA Bl. 32) mit, dass diese Rechnungen tatsächlich nicht von der D GmbH ausgestellt worden seien. Die A GmbH sei keine Kundin gewesen, die Preise seien zu hoch und das angegebene Bankkonto existiere nicht.

2. Der Beklagte führte aufgrund der Prüfungsanordnung vom 5. Juni 2009 (UStSPA Bl. 2) bei der A GmbH eine Umsatzsteuersonderprüfung für den Zeitraum August 2008 bis April 2009 durch und stellte fest, dass im Prüfungszeitraum insgesamt 16 Eingangsrechnungen und eine Gutschrift der D GmbH gebucht worden waren. Wegen der Einzelheiten wird auf Tz. 14 des Prüfungsberichts vom 10. Juni 2009 (UStSPA Bl. 67 ff.) Bezug genommen. Der Beklagte änderte daraufhin unter dem 22. Juni 2009 die Bescheide über die Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate August 2008 bis März 2009. Hierin wurden die Vorsteuerüberschüsse um die in den vermeintlichen Rechnungen der D GmbH ausgewiesene Umsatzsteuer reduziert und die bereits ausgezahlten Beträge in Höhe von insgesamt Euro 1.391.353,95 zurückgefordert (Finanzgerichtsakten -FGA- Bl. 24 ff.).

3. Das Finanzamt für Prüfungsdienste und Strafsachen (im Folgenden: Steuerfahndung) leitete am 28. Ma...

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