Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Ablaufhemmung des § 170 Abs. 2 AO bei freiwilliger Abgabe der Steuererklärung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer ist bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden 2. Kalenderjahres durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen.

Die Ablaufhemmung des § 170 Abs. 2 AO gilt nicht bei freiwilliger Abgabe der Steuererklärung sondern nur, wenn der Steuerpflichtige verpflichtet ist, eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen.

 

Normenkette

AO § 170 Abs. 2; EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8

 

Tatbestand

Streitig ist, ob wegen Ablauf der Festsetzungsfrist Verjährung eingetreten ist.

Der Kläger reichte am 12.04.2001 erstmals Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1994 bis 1998 ein. In den Steuererklärungen beantragte er die Berücksichtigung von Beteiligungsverlusten als Mitunternehmer an der S-GbR, die ihren Sitz in Hannover hat und beim Finanzamt Hannover-... (...) geführt wird. Den Steuererklärungen waren Ablichtungen der Feststellungsbescheide des Betriebstättenfinanzamtes vom 27.01.1997 beigefügt, die einen Eingangsstempel "29.01.1997" aufweisen.

Der Beklagte wertete die eingereichten Steuererklärungen als Anträge auf Veranlagung zur Einkommensteuer. Die Anträge lehnte der Beklagte wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist mit Bescheid vom 16.05.2001 ab. Der fristgerecht eingelegte Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Die Einspruchsentscheidung wurde am 31.01.2002 zur Post gegeben.

Mit der am 01.03.2002 eingegangenen Klage machte der Kläger zunächst geltend, dass sich der Beginn der Festsetzungsfrist - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht nach der Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO richte, sondern vielmehr nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO. Die Anwendung dieser Vorschrift setze nicht voraus, dass eine Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärungen bestanden habe. Auch die freiwillige Abgabe der Steuererklärung bewirke, dass die Festsetzungsfrist erst mit Abgabe der Steuererklärung, spätestens jedoch mit Ablauf des 3. Kalenderjahres, dass auf das Jahr der Steuerentstehung folge, auslaufe.

Für diese Lösung spreche auch, dass es ohne Abgabe einer Steuererklärung nicht möglich sei, die Beteiligungsverluste steuerwirksam geltend zu machen. Nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO komme zudem in Betracht, einen erstmaligen Steuerbescheid nach Erlass eines Grundbescheides zu erlassen. Da der Grundlagenbescheid im Streitfall erstmals Anlass für die Abgabe einer Steuererklärung gegeben habe, erscheine es sinnvoll, die Festsetzungsfrist erst mit dem Ablauf des Jahres beginnen zu lassen, in dem der Grundlagenbescheid erlassen sei.

Der Kläger beantragt, den Ablehnungsbescheid vom 16.05.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.01.2002 aufzuheben, und den Beklagten zu verpflichten, für die Streitjahre 1994 und 1995 Einkommensteuerbescheide mit der Maßgabe zu erlassen, dass für 1994 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von negativ 46.779 DM und für 1995 in Höhe von 78.706 DM berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt, Klagabweisung.

Er hält unter Verweisung auf die Einspruchsentscheidung an seiner Auffassung fest, dass Festsetzungsverjährung unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO eingetreten sei. Eine Pflicht des Klägers zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen habe nicht bestanden. Der Erlass der Grundlagenbescheide habe auch keine Verpflichtung des Beklagten ausgelöst, Einkommensteuerbescheide zu erlassen, da Steuererklärungen nicht vorgelegt worden seien.

Die Einkommensteuerakten (I) zur Steuernummer ... haben vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet gemäß § 90a Abs. 1 FGO durch Gerichtsbescheid.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) zulässig, denn sie richtet sich gegen die Ablehnung einer Antragsveranlagung (vgl. hierzu FG Köln EFG 99,1020).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht den beantragten Erlass von Einkommensteuerbescheiden abgelehnt, weil Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

Die Festsetzungsfrist für Einkommensteuer beträgt nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Die Frist beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt nicht in Betracht, den Beginn der Festsetzungsfrist abweichend von Abs. 1 nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 zu bemessen. § 170 Abs. 2 AO bewirkt eine Ablaufhemmung wenn der Steuerpflichtige verpflichtet ist, eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen. Nach § 149 AO kann sich die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung aus dem jeweiligen Steuergesetzen ergeben oder aus einer Aufforderung der Finanzbehörde (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 28.11.1990, I R 71/89, BStBl. II 1991, 440). Der Kläger war nicht verpflichtet, für die Streitjahre eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Es bestand weder eine Steuererklärungspflicht nach § 56 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) noch war er vom Finanzamt aufgefordert worde...

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