Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabenordnung: Cum-/Ex-Geschäfte: Keine Rückforderung der angerechneten Kapitalertragsteuer nach Ablauf der Zahlungsverjährung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die isolierte Änderung einer Anrechnungsverfügung zur Rückforderung ursprünglich angerechneter Kapitalertragsteuer ist nicht mehr möglich, wenn die fünfjährige Zahlungsverjährung abgelaufen ist.

2. Die Zahlungsverjährung beginnt mit der Bekanntgabe der Steuerfestsetzung, auch wenn in ihr ein Erstattungsanspruch ausgewiesen wird. Sofern ein Zahlungsanspruch des Finanzamtes auf Rückzahlung erst mit Änderung der Anrechnungsverfügung erstmals entstehen und fällig werden würde, führt dies nicht zu einem erneuten Beginn der Zahlungsverjährung (Anschluss an BFH-Urteil vom 25.10.2011 VII R 55/10 BFHE 235, 115, BStBl II 2012, 220).

 

Normenkette

AO §§ 228, 229 Abs. 1; EStG § 36 Abs. 4 S. 1

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Anrechnungsverfügung vom 18.07.2006 über die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen für das Jahr 2006. Streitig ist die Rückforderung der angerechneten Kapitalertragsteuer.

1. Die Antragstellerin ist eine GmbH und betreibt ein Unternehmen, das den Erwerb und die Veräußerung von börsennotierten Wertpapieren und Derivaten im eigenen Namen und für eigene Rechnung i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 Kreditwesengesetz (KWG) mit dem Ziel eines kurzfristigen Eigenhandelserfolges zum Gegenstand hat.

Im Jahr 2006 tätigte die Antragstellerin drei Aktien-Transaktionen und erzielte dabei Dividendenerträge in Höhe von insgesamt 6.317.500,00 € (darauf entfallende Kapitalertragsteuer insgesamt: 1.263.500,00 €, vgl. Hefter "Einspruch und AdV-Verfahren" Bl. 8).

Diesbezüglich verbuchte die Antragstellerin in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung Zinsen und ähnliche Aufwendungen in Höhe von insgesamt 6.579.343,43 € gewinnmindernd (davon Dividendenausgleichzahlungen in Höhe von 5.985.831,25 €, ...).

2. Der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) erließ am 22.10.2007 einen Bescheid über Körperschaftsteuer für 2006, in dem es ausgehend von einem erklärten Jahresüberschuss in Höhe von 198.164 € Körperschaftsteuer für 2016 in Höhe von 67.287 € festsetzte und die gezahlte Kapitalertragsteuer auf Dividendenerträge i. H. v. 1.263.500,00 € anrechnete. Dies führte nach Verrechnung mit der Gewerbesteuerzahllast für 2006 zu einer Erstattung von insgesamt 1.198.766,22 € (inkl. Solidaritätszuschlag, ...).

3. Ab März 2014 prüfte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A Gesellschafter diverser kurzlebiger Kapitalgesellschaften, die in den Jahren 2006 bis 2011 in unterschiedlichen Konstellationen in sog. Cum-/Ex-Anlagen direkt oder indirekt investiert hatten. Im Rahmen von Durchsuchungsmaßnahmen wurden Unterlagen übergeben, aus denen sich für das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A die "Vermutung" ergab, dass im Rahmen eines Investments namens B (...), welches von einer Tochtergesellschaft der C (...) aufgelegt worden war, die Kapitalertragsteuer im Rahmen der zu Grunde liegenden Cum-/Ex-Geschäfte auf Ausschüttungen deutscher DAX-Unternehmen im Ergebnis einmal angemeldet und gezahlt, aber mehrfach angerechnet wurde.

Die Prüfer des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung A stellten in ihrem - undatierten, aber nach Aktenlage aus 2016 stammenden - Bericht über das Ergebnis der Ermittlungen u. a. Folgendes fest (...)

"Investment B

(...)

Das B Investment zielte nach Ansicht des BFH nicht - wie bei Börsengeschäften allgemein üblich - darauf ab, Gewinne aus Kursschwankungen bzw. Dividendenerträgen der Wertpapiere zu erzielen. Die Auswertung der B-Unterlagen zeigt, dass diese Geschäfte zu dem Zweck initiiert wurden, um Gewinne aus dem Umstand zu generieren, dass der deutsche Fiskus auf der einen Seite Kapitalertragsteuer beim Anleger erstattet bzw. anrechnet, welche auf der anderen Seite tatsächlich nicht an den Fiskus abgeführt und gezahlt worden ist.

Es handelt sich um ein systematisches und zielgerichtetes Investment, bei dem deutsche Aktien von ausländischen Marktteilnehmern (Leerverkäufern) am Tag vor dem Dividendenstichtag oder am Dividendenstichtag durch die Investoren schuldrechtlich erworben wurden. Unter den Investoren ist u. a. die D GmbH. Dies ergibt sich aus den Unterlagen der E Ltd, Fragebogen gem. § 31 IV; V WPHG.

Durch den Kauf von deutschen Aktien von ausländischen Marktteilnehmern konnte der depotführenden Bank der Investoren, der F, suggeriert werden, es hätte ein Kauf von Aktien mit Dividendenanspruch, "cum", stattgefunden. Die vertraglichen Grundlagen dieses B-Investments waren Gegenstand des Urteils des BFH vom 16.04.2014."

(...)

Ermittlungen

Gemäß § 208 I Nr. 1 und 2 AO i. V. m. § 404 AO wurde am 18.12.2015 ein Prüfungsauftrag erteilt.

Im Rahmen der Ermittlungen bestätigten die E Ltd. und die G Ltd. mit Mail vom 07.12.2015, das bei allen an dem Investment B teilnehmenden Gesellschaften die Transaktionsstrukturen identisch sind. Damit ist die Entscheidung des BFH vom 16.4.2015 auf al...

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