vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines bulgarischen Staatsangehörigen als Elternteil einer schulpflichtigen Tochter

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG ist mit dem Unionsrecht nicht vereinbar, soweit danach grundsätzlich Kindergeldberechtigte, die nur ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht nach Art. 10 der Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (VO 492/2011) haben, vom Kindergeldanspruch ausgeschlossen sind.
  2. Ein gemeinsam mit seiner schulpflichtigen Tochter im Inland wohnhafter bulgarischer Staatsangehöriger, der nach vorheriger Arbeitnehmertätigkeit ALG II bezieht, hat daher ungeachtet seiner fehlenden Freizügigkeitsberechtigung nach Maßgabe des FreizügG/EU (u.a. mangels Nachweis der Arbeitssuche) Anspruch auf Kindergeld.
 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1a S. 3; FreizügG/EU § 2 Abs. 2 Nrn. 1a, 5, Abs. 3; VO (EU) Nr. 492/2011 Art. 7 Abs. 2, Art. 10; EGV 883/2004 Art. 4

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Kindergeld für seine Tochter ab dem Monat Dezember 2022 zusteht.

Der Kläger ist bulgarischer Staatsangehöriger und Vater einer minderjährigen Tochter, R. K., geboren am 00.00.2010. Mutter des Kindes ist die Ehefrau des Klägers, N. K. (geborene X.). Die Ehefrau und die Tochter verfügen ebenfalls ausschließlich über die bulgarische Staatsagenhörigkeit. Der Kläger, die Ehefrau und die Tochter leben in einem gemeinsamen Haushalt miteinander.

Der Kläger reiste in die Bundesrepublik Deutschland mit seiner Familie erstmals im Jahr 2015 ein. Sie wohnten zunächst gemeinsam in F., Y.-straße. Die Familie lebte seit ihrer Ersteinreise nicht ununterbrochen in Deutschland. Von Juli 2016 bis Dezember 2016 reisten sie für einige Monate nach Bulgarien zurück und meldeten ihren inländischen Wohnsitz für den Zeitraum ab, bevor sie wieder nach F. zurückkehrten. Im Februar 2019 meldeten sie ihren Wohnsitz in F. erneut ab und waren bis Februar 2020 mit keinem inländischen Wohnsitz gemeldet. Während dieser Zeit hob die Familienkasse zuvor festgesetztes Kindergeld ab dem Monat Januar 2019 auf. Dieser Bescheid konnte dem Kläger unter der zuletzt bekannten Anschrift nicht zugestellt werden. Eine Abfrage beim Einwohnermeldeamt ergab, dass der Kläger unbekannt verzogen war. Der Bescheid ist infolgedessen öffentlich zugestellt worden. Im Februar 2020 kehrten der Kläger und seine Familie erneut nach Deutschland und meldeten einen inländischen Wohnsitz an, diesmal in A.-straße, H.. Seit Juli 2020 sind er, seine Ehefrau und die Tochter unter der AdresseI.-straße, Q. gemeldet. Auf die melderechtliche Abfrage der Familienkasse für den Zeitraum vom 25.03.2015 bis 17.02.2022 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen (Bl. 334 f. der Kindergeldakte).

Von März 2021 bis Ende Oktober 2022 arbeitete der Kläger als Kurierfahrer in einem unbefristeten, abhängigen Beschäftigungsverhältnis für eine monatliche Vergütung von brutto 800,00 Euro. Auf den weiteren Inhalt des Arbeitsvertrags wird Bezug genommen (Bl. 189 f. der Gerichtsakte). Im August 2021 beantragte der Kläger (erneut) für seine Tochter Kindergeld. Die Familienkasse setzte mit Bescheid vom 17.11.2021 Kindergeld für die Tochter ab dem Monat März 2021 bis Mai 2028 fest.

Nachdem der Kläger mit Wirkung zum Ende Oktober (aus betrieblichen Gründen) gekündigt wurde, bezog er seitdem ausschließlich Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II).

Vor dem Hintergrund der fehlenden Erwerbstätigkeit des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 12.12.2022 die Festsetzung des Kindergeldes für die Tochter ab dem Monat Dezember 2022 auf.

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Sein Prozessbevollmächtigter teilte mit, dass der Kläger einen Anspruch auf Kindergeld habe, da die Tochter erst 12 Jahre alt sei. Daher bestünde der Anspruch auf Kindergeld unverändert fort.

Mit Schreiben vom 24.01.2023 führte die Familienkasse hierzu aus, dass ein Kindergeldanspruch vorliegend nur bestehen könne, wenn der Kläger freizügigkeitsberechtigt sei. Die Familienkasse forderte zur abschließenden Bearbeitung über den Einspruch folgende Unterlagen an:

• „ Nachweis über das Ende der Beschäftigung bei U. (z.B. Kündigung, letzte Lohnabrechnung etc.)

• Nachweis über die tatsächliche Arbeitssuche (Zwischennachrichten oder Absageschreiben von Bewerbungen)

ODER

• Nachweis über die Arbeitssuchend-Meldung bei der Agentur fürArbeit/Jobcenter „

Außerdem fragte sie, ob ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I bestehe.

Der Kläger legte daraufhin das Kündigungsschreiben des Arbeitgebers vor und reichte erneut einen Bescheid über den Bezug von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum März und April 2023 ein.

Mit Schreiben vom 18.04.2023 forderte die Familienkasse (nochmals) die Einreichung der folgenden Unterlagen:

• „ eine Bestätigung über die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit für B. von der Agentur für Arbeit (nicht vom Jobcenter) „;

• „ schriftliche Bestätigung der zuständigen Age...

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