Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer zulässigen Aufrechnung eines Gläubigers außerhalb des Konkursverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

Gegen Vorsteuererstattungsansprüche des Konkursverwalters aus nach Konkurseröffnung ausgeführten Rücklieferungen der Abnehmer der Gemeinschuldnerin kann die Finanzbehörde mit Konkursforderungen aufrechnen, wenn der Rechtsgrund für diese Ansprüche durch mit einem Rückgaberecht verbundene Lieferungen vor Verfahrenseröffnung gelegt worden ist und sie damit im konkursrechtlichen Sinne vor Konkurseröffnung begründet worden sind.

 

Normenkette

KO §§ 53-54; AO § 218 Abs. 2, § 226 Abs. 1; BGB § 387

 

Streitjahr(e)

1997

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 16.01.2009; Aktenzeichen VII R 31/08)

BFH (Beschluss vom 16.01.2009; Aktenzeichen VII R 31/08)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Finanzamt im Konkursverfahren gegen einen Vorsteuererstattungsanspruch des Konkursverwalters aufrechnen kann.

Der Kläger ist Konkursverwalter über der Vermögen der „A” GmbH. Bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am 1.6.1997 bestand ein Organschaftsverhältnis zwischen der Gemeinschuldnerin als Organgesellschaft und der Fa. „A” Holding GmbH als Organträgerin.

Während des Bestehens des Organschaftsverhältnisses bestanden zwischen der Gemeinschuldnerin und diversen Kunden schriftliche, auf mehrjährige Lieferbeziehungen angelegte Lieferverträge, nach denen die Abnehmer unter anderem berechtigt waren, nach Ablauf der jeweiligen Saison für Sämereien die nicht verkaufte Ware an die Gemeinschuldnerin zurückzugeben. Über die Rücklieferungen erteilte die Gemeinschuldnerin den Abnehmern Gutschriften. Die Gemeinschuldnerin war ihrerseits zum Vorsteuerabzug aus diesen Gutschriften berechtigt.

Nach Eröffnung des Konkursverfahrens teilte der Kläger den Abnehmern mit, dass diese weiterhin die nicht verkaufte Ware an die Gemeinschuldnerin zurückgeben könnten, jedoch die Ware selbst verpacken und dem Konkursverwalter unter Beifügung vorgefertigter Formulare hinsichtlich Art und Menge der zurückgelieferten Ware zusenden mussten. Auf der Grundlage der von den Kunden ausgefüllten Retour-Formulare wurden anschließend wiederum Gutschriften erstellt. Die ursprünglich nur leihweise überlassenen Verkaufsständer durften die Abnehmer behalten.

Nach Erledigung des Klageverfahrens 5 K 509/01 U ist unstreitig, dass es sich bei den nach Eröffnung des Konkursverfahrens abgewickelten Rücklieferungen um umsatzsteuerlich eigenständige Rücklieferungen handelt, die den Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigen.

Im Hinblick auf § 73 der Abgabenordnung (AO) Haftung der Organgesellschaft für Steuerschulden der Organträgerin berechnete das Finanzamt einen Haftungsanspruch gegen die Gemeinschuldnerin in Höhe von 1.387.044,28 DM, den es zur Konkurstabelle anmeldete. Diese Forderung rechnete es in Höhe von 918.986,85 DM gegen Umsatzsteuererstattungsansprüche der Gemeinschuldnerin auf, die sich infolge des Klageverfahrens 5 K 509/01 U ergeben hatten.

Gegen den hier wegen seiner Einzelheiten in Bezug genommenen Abrechnungsbescheid vom 16.12.2005, mit dem das Finanzamt die Rechtmäßigkeit der vorgenannten Aufrechnung festgestellt hat, richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.

Der Kläger ist der Ansicht, dass im Streitfall keine Aufrechnungslage bestanden habe. Der Hinweis, dass es für die Aufrechenbarkeit im Konkursverfahren nicht auf die steuerrechtliche Entstehung des Anspruchs ankomme, sondern darauf, wann die zivilrechtliche Grundlage für die Entstehung des Steueranspruchs gelegt worden sei, sei in Anbetracht der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zwar grundsätzlich zutreffend. Bei den Retourlieferungen, die Grundlage der Umsatzsteuerguthaben seien, handele es sich jedoch um neue Lieferungen auf der Grundlage eigenständiger, nach Eröffnung des Konkursverfahrens abgeschlossener Verträge. Eine Rückbeziehung des Leistungsaustauschs auf den Zeitraum vor Abschluss der geänderten Rückgabevereinbarung mit dem Konkursverwalter sei nicht möglich.

Der Kläger beantragt,

den Abrechnungsbescheid zur Umsatzsteuer 1997 vom 16.12.2005 aufzuheben und das beklagte Finanzamt zu verurteilen, an den Kläger Guthaben aus Umsatzsteuer 1997 und Zinsen zur Umsatzsteuer 1997 in Höhe von 469.870,51 EUR auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Hinweis auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vertritt das Finanzamt die Ansicht, dass der Anspruch der Gemeinschuldnerin auf Umsatzsteuererstattung die Hauptforderung bereits vor Eröffnung des Konkursverfahrens in dem für eine Aufrechnung maßgeblichen Sinne „entstanden” sei. Hierbei komme es nicht auf den steuerrechtlichen Entstehungszeitpunkt der Hauptforderung an, sondern vielmehr darauf, dass der Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch nach konkursrechtlichen Grundsätzen bereits vor Konkurseröffnung geschaffen worden sei. Diese Voraussetzung sei im Streitfall erfüllt, indem die zivilrechtliche Grundlage, die zur Rücklieferung der Waren und somit zum Vorsteueranspruch geführt...

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