Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung von Kindergeld bei Weiterleitung an den Berechtigten

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die besondere Mitwirkungspflicht bei Änderung der für den Kindergeldbezug erheblichen Verhältnisse stellt keine steuererklärungsähnliche Anzeige dar, deren Unterlassung die Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist auslöst.
  2. Die Verletzung dieser Mitwirkungspflicht im Falle eines Haushaltswechsels des Kindes vermag bei Weiterleitung des Kindergeldes an den vorrangig Berechtigten keinen derart erheblichen Grad an Fahrlässigkeit zu begründen, dass eine zur Verlängerung der Festsetzungsfrist führende leichtfertige Steuerverkürzung angenommen werden könnte. Dies gilt auch bei Kenntnis von dem Wegfall des Anspruchs.
  3. Gegenüber dem Rückforderungsanspruch der Familienkasse kann sich der Empfänger nur auf die Weiterleitung berufen, wenn er die Bestätigung des vorrangig Berechtigten beibringen kann. Eine den gesetzlichen Unterhaltsanspruch des Kindes um die Höhe des Kindergeldes übersteigende vereinbarungsgemäße Unterhaltszahlung ist demgegenüber nicht zu berücksichtigen.
 

Normenkette

AO § 37 Abs. 2, § 108 Abs. 1, § 169 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 173 Abs. 1 Nr. 1, §§ 370, 378 Abs. 1 S. 1; EStG § 31 S. 3, § 64 Abs. 1, § 66 Abs. 1, § 68 Abs. 1; DA-FamEStG Tz 64.4 Abs. 4; BGB § 188 Abs. 2, § 1612b Abs. 1

 

Streitjahr(e)

1000, 1996, 1997, 1998, 2000, 2001

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.05.2006; Aktenzeichen III R 80/04)

 

Tatbestand

Streitig sind die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung von Kindergeld.

Der verstorbene Vater bzw. Ehemann der Kläger bezog für seinen Sohn S1 (geboren am 11.04.1991) bis einschließlich Februar 2001 Kindergeld in Höhe von zuletzt 138,00 € monatlich. Nachdem der Beklagte - das Arbeitsamt (Familienkasse) - Kenntnis davon erlangte, dass der Kindesvater sich bereits im September 1995 von der Kindesmutter getrennt hatte und das Kind seither bei der Kindesmutter lebte, hob er mit an die Kläger als (Gesamt-) Rechtsnachfolger gerichteten Bescheid vom 25.07.2003 die Kindergeldfestsetzung rückwirkend für die Zeit von Januar 1996 bis Februar 2001 auf und forderte das in diesem Zeitraum gezahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 7.393,18 € zurück. Zur Begründung führte er aus, dass dem Kindesvater das Kindergeld wegen der Aufnahme des Kindes in den Haushalt der Mutter nicht zugestanden habe. Auch habe der Kindesvater das Kindergeld laut einer schriftlichen Erklärung der Kindesmutter (vgl. Bl. 88 der Kg-Akte) nicht an diese weitergeleitet.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger Klage gegen den Bescheid vom 25.07.2003 erhoben. Sie sind der Auffassung, der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 25.07.2003 sei rechtswidrig. Der Kindesvater habe das an ihn ausgezahlte Kindergeld an die Kindesmutter weitergeleitet. Der Kindesvater habe 1.350,00 DM monatlich an Unterhalt geleistet, obwohl er nach der Düsseldorfer Tabelle nur 880,00 DM habe zahlen müssen. Damit stehe fest, dass in den monatlichen Zahlungen auch das volle Kindergeld enthalten gewesen sei.

Mit Beschluss vom 07.01.2004 hat der Senat die Kindesmutter, Frau A, nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO - Abgabenordnung - zu dem Verfahren beigeladen.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid vom 25.07.2003 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Der Beklagte weist darauf hin, dass die Vorschrift des § 64 Abs. 2 Satz 1 Einkommen-steuergesetz - EStG - nicht durch zivilrechtliche Vereinbarungen außer Kraft gesetzt werden könne. Soweit die Kläger daher vortragen, das Kindergeld sei in den vom Verstorbenen geleisteten Unterhaltszahlungen mit enthalten, könnten derartige zivilrechtliche Unterhaltsvereinbarungen den Anspruch auf Kindergeld nicht berühren. Auch stehe die Festsetzungsverjährung einer Rückforderung des Kindergelds ab Januar 1996 nicht entgegen. Zum einen greife die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO ein. Zum anderen liege aufgrund der Verletzung der Mitwirkungspflicht des § 68 Einkommensteuergesetz - EStG - seitens des Kindesvaters zumindest eine leichtfertige Steuerverkürzung vor.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Kindergeldakte des Beklagten verwiesen. Die Beteiligten haben im Erörterungstermin vom 13.02.2004 auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht entscheidet nach § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO - mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

Die Klage ist teilweise begründet.

1. Der Beklagte war nicht berechtigt, die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum von Januar 1996 bis Dezember 1998 in Höhe von 3.926,64 € aufzuheben. Denn insoweit ist nach § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO Festsetzungsverjährung eingetreten und der Beklagte an einer Aufhebung der Kindergeldfestsetzung gehindert.

a. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist die Aufhebung einer Steuerfestsetzung nicht mehr zuläss...

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