Entscheidungsstichwort (Thema)

Abhängigkeit der Haftungsschuld von der Jahreslohnsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Von einem Immobilienunternehmen laufend zu Sanierungsarbeiten eingesetzte und zu diesem Zweck eingereiste polnische Handwerker können nach Lage der Gesamtumstände des Einzelfalls ungeachtet vorliegender Gewerbeanmeldungen, der Ausstellung von Rechnungen, nicht festgelegter Arbeitszeiten und des Fehlens eines Anspruchs auf Urlaub bzw. Lohnfortzahlung aufgrund der tatsächlichen Durchführung der Leistungsbeziehungen (Entlohnung ohne vorherige Abnahme von Gewerken auf arbeitnehmertypische Weise, kein Unternehmerrisiko, kein fest umrissener Leistungsgegenstand, Unterbringung in Firmenunterkünften) lohnsteuerrechtlich als Arbeitnehmer zu behandeln sein.
  2. Die Haftungsschuld nach § 42 d EStG ist ausschließlich von der Lohnsteuerschuld und damit auch von der Jahreslohnsteuer abhängig und nicht von der letztendlich entstandenen Einkommensteuerschuld.
 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 38 Abs. 1 S. 1, § 38 a Abs. 1, § 42 d Abs. 1 Nr. 1, § 42d Abs. 3 S. 3; LStDV § 1 Abs. 2; AO § 191 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerinnen sind Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Sie haben ihren Geschäftssitz in W. Alleinige Gesellschafter sind jeweils Herr A und Herr B. Die Gesellschafter haben sich zusammengeschlossen, um Immobilien zu kaufen, zu sanieren und anschließend wieder zu verkaufen. Sie erzielen durch ihre Beteiligungen an den Klägerinnen Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit.

Die Klägerin zu 1) befasste sich mit dem Objekt Z Straße (Gründung Juni 2005), die Klägerin zu 2) mit dem Objekt Y Straße (Gründung Oktober 2004) und die Klägerin zu 3) mit dem Objekt X Straße (Gründung Januar 2003) in W.

Am 20.09.2005 kontrollierte das Hauptzollamt W das Objekt Z Straße. Es handelte sich um ein Mehrfamilienhaus, welches derzeit renoviert wurde. In dem Haus wurden folgende polnischen Staatsangehörige angetroffen:

1. Herr C

2. Herr D

3. Herr E

4. Herr F

5. Herr G

6. Frau G

Die Eheleute G / G und der Vater von Frau G, Herr C, bewohnten die Wohnung im II. OG und die übrigen drei Personen die Erdgeschosswohnung links. Auf die Fotos in der Lohnsteueraußenprüfungshandakte wird hingewiesen.

Aufgrund der Befragungen der Zollermittler stellte sich der Sachverhalt wie folgt dar: Durch die Vermittlung von Herrn H, dem Onkel von Frau G und Schwager von Herrn C, seien alle sechs Personen im Sommer 2005 nach Deutschland eingereist. Unmittelbar nach der Einreise hätten sich die Personen als Selbständige angemeldet und mit den Arbeiten in den Wohnobjekten der Firma A B GbR begonnen. Hierüber seien zwar Rechnungen erstellt worden, welche alle aber Parallelen zueinander besäßen. Der Aufbau der Rechnungen sei identisch. Es sei in der Regel zeitraumbezogen abgerechnet worden. Alle Personen bewohnten zum Zeitpunkt der Durchsuchung das von ihnen zu renovierende Objekt. Dabei schliefen die Personen teilweise nur auf Matratzen auf dem Boden. Auftraggeber und Vermieter der Wohnungen sei nach übereinstimmender Angabe der Personen Herr B bzw. die A B GbR. Alle hätten bisher nur für Herrn B gearbeitet. Verträge seien alle nur mündlich abgeschlossen worden. Werkzeuge stelle zum größten Teil Herr B. Behördenformalitäten seien maßgeblich durch Herrn H erledigt worden. Keine der Personen sei der deutschen Sprache in Wort und Schrift derart mächtig gewesen, dass er Vertragsverhandlungen bzw. Behördenformalitäten selbständig hätte führen können. Ein Klingelschild, Firmenhinweis oder Firmenfahrzeug sei nicht vorhanden gewesen. Auf den weiteren Inhalt der Verfahrensakte des Hauptzollamtes wird verwiesen.

Mit Verfügung vom 16.02.2006 wurde bei den Klägerinnen durch den Beklagten die Durchführung einer Lohnsteueraußenprüfung angeordnet. Geprüft wurde jeweils der Zeitraum ab Gründung bis 28.02.2006. Dem Prüfer wurden Rechnungen und einige schriftliche Vereinbarungen zwischen der A B GbR und den oben genannten Personen vorgelegt, die mit „Werkvertrag” überschrieben waren (z.B. über Trockenbauarbeiten (13.06.2005) oder Herstellung einer Gipskartonwand etc. (09.01.2006)). Abnahmeprotokolle wurden nicht vorgelegt.

Nach den Feststellungen des Prüfers hatte die Klägerin zu 1 (Objekt Z Straße) 11 Arbeitnehmer für die sie keine Lohnkonten geführt hatte. Es handelte sich um folgende Personen (polnische Staatsangehörige):

1. Herr C

2. Herr I

3. Herr D

4. Herr E

5. Herr F

6. Herr G

7. Frau G

8. Herr J, Z Str.

9. Herr K, V Str.

10. Herr L, Z Str.

11. Herr M, V Str.

Gegen die Klägerin zu 1) erließ der Beklagte am 31.01.2007 entsprechend den Prüferfeststellungen einen Haftungsbescheid (Zeitraum 01.06.2005 bis 28.02.2006) über insgesamt 12.264,47 EUR (Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und römisch-katholische Kirchensteuer). Die Klägerin zu 1) hafte gemäß § 42 d EStG. Wegen der weiteren Begründung wurde auf den Prüfungsbericht vom 30.01.2007 verwiesen.

Die Klägerin zu 2) (Y Straße) hatte nach den Feststellungen des Prüfers 7 Arbeitnehmer für die keine Lohnkonten geführt wurden. Es hand...

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