Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerbefreiung von IT-Dienstleistungen einer Arbeitsgemeinschaft gesetzlicher Krankenkassen an ihre Gesellschafter nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der MwStSystRL

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Umsatzsteuerbefreiung der Leistungen einer von mehreren gesetzlichen Krankenkassen gegründeten Arbeitsgemeinschaft in der Rechtsform einer GbR, die Datenverarbeitungsdienstleistungen gegen Kostenumlage an ihre Mitglieder erbringt, folgt unmittelbar aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der MwStSystRL, wonach Dienstleistungen von selbständigen Personenzusammenschlüssen steuerfrei sind, wenn die in ihnen zusammengeschlossenen Personen Tätigkeiten ausüben, die von der Steuer befreit sind.
  2. Die Datenverarbeitungsdienstleistungen der Arbeitsgemeinschaft dienen den gesetzlichen Aufgaben der ihr als Gesellschafter verbundenen gesetzlichen Krankenkassen unmittelbar, weil sie unabdingbare Voraussetzung dafür sind, dass die Krankenkassen ihren Leistungspflichten gegenüber den Versicherten überhaupt nachkommen können.
  3. Die Befreiung führt nicht zu einer realen Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen, da eine Auftragsvergabe an private Anbieter nach § 80 Abs. 5 Nr. 2 SGB X wegen der notwendigen Übernahme der Speicherung des gesamten Datenbestandes der Krankenkassen ausscheidet.
 

Normenkette

MwStSystRL Art. 13 Abs. 1, Art. 132 Abs. 1 Buchst. f; UStG § 2 Abs. 3, § 4 Nr. 15; SGB V § 1 S. 1, §§ 2, 4 Abs. 1-2, § 219; SGB X § 80 Abs. 5 Nr. 2, § 94 Abs. 1a

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Steuerpflicht der von der Klägerin an ihre Gesellschafter erbrachten Dienstleistungen auf dem Gebiet der IT-Dienstleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der Mehrwertsteuersystemrichtlinie - MWStSystRL -.

Bei der Klägerin handelt es sich um eine Arbeitsgemeinschaft nach § 94 Abs. 1a des Zehnten Sozialgesetzbuches - SGB X - i.V.m. § 219 SGB V in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - GbR -. Gesellschafter der Klägerin sind ausschließlich gesetzliche Krankenkassen, die ihrerseits gemäß § 4 Abs. 1 SGB V Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.

Per Gesellschaftsvertrag schlossen sich diverse gesetzliche Krankenkassen zusammen und gründeten die Klägerin. Zweck des Zusammenschlusses ist gemäß § 2 des Vertrages zum einen

- die Bereitstellung und Optimierung der Informations- und Kommunikationstechnologie zur Erfüllung der den Gesellschaftern als öffentlich-rechtlichen Krankenkassen obliegenden gesetzlichen Aufgaben, insbesondere im Hinblick auf automatische Datenverarbeitung, Datenschutz und Datensicherung;

und zum anderen

- der Betrieb eines Hochverfügbarkeitsrechenzentrums zusammen mit dem Zur-Verfügen-Stellen auch kassenspezifischer Daten und Programme sowie die Bereitstellung entsprechender Infrastruktur (einschließlich Kommunikationsverbindungen und angemessener Arbeitsplatzausstattung) und Serversysteme.

Die nähere Ausgestaltung der gemäß ihrer Aufgabenstellung zu erbringenden Dienste ergibt sich aus der Anl. 1 zum Gesellschaftsvertrag - “Leistungsverzeichnis”.

Nach Darstellung der Klägerin war ihre Gründung eine Reaktion auf die für den laufenden Geschäftsbetrieb der Gesellschafter immer wichtiger werdende Informationstechnologie. Ziel der Gründung war eine Verlagerung der zuvor von internen Abteilungen der einzelnen Gesellschafter wahrgenommenen Aufgaben und eine Bündelung der Informations- und Kommunikationstechnologie bei der Klägerin als zentraler Geschäftseinheit der Gesellschafter.

Um das gesellschaftsvertraglich vereinbarte Leistungsspektrum erbringen zu können, speicherte die Klägerin die gesamten Datenbestände der ihr angehörenden Krankenkassen auf ihren eigenen Servern und hat somit auch uneingeschränkten Zugang zu allen Daten der bei ihren Gesellschaften Krankenversicherten.

Die Klägerin erbrachte die IT-Dienstleistungen ausschließlich an ihre Gesellschafter und rechnete diese ohne Umsatzsteuer ab. Nach eigenem Bekunden dürfe sie diese Leistungen auch nicht an Dritte erbringen, da sie - wie auch ihre Gesellschafter - den Beschränkungen der §§ 30 ff. SGB IV unterworfen sei.

Umgekehrt hätten auf dem freien Markt tätige IT-Unternehmen keine Möglichkeit, dass von der Klägerin vorgehaltene komplette Leistungsspektrum abzudecken, da insoweit die Datenschutzrechte der Krankenversicherten entgegenstünden.

Gemäß § 7 des Gesellschaftsvertrages wird die Klägerin entsprechend ihrer Leistungsinanspruchnahme und nach den Grundsätzen der sparsamen und wirtschaftlichen Mittelverwendung durch ihre Gesellschafter finanziert. Dies bedeute, so die Klägerin, dass jeder Gesellschafter die durch die an ihn erbrachten IT-Dienstleistungen verursachten Kosten trage.

In ihrer am 30.12.2008 eingereichten Umsatzsteuererklärung für 2007 behandelte die Klägerin die von ihr entsprechend dem Gesellschaftsvertrag an die Krankenkassen erbrachten IT-Leistungen als umsatzsteuerfrei gemäß § 4 Nr. 15 Umsatzsteuergesetz - UStG - mit der Begründung, diese Steuerbefreiungsvorschrift sei zwar unstreitig ihrem Wortlaut nach nicht erfüll...

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