Entscheidungsstichwort (Thema)

Formlose Abberufung des Geschäftsführers einer GmbH Deklaratorische Wirkung des Handelsregisters – Auslegung eines Gesellschafterbeschlusses

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Werden die Namen der Geschäftsführer einer GmbH nicht im Gesellschaftsvertrag genannt, kann der die Bestellung oder Abberufung von Geschäftsführern betreffende Beschluss formlos ergehen.

2. Die Eintragung der Bestellung oder Abberufung in das Handelsregister hat nur deklaratorische Wirkung.

3. Ein Gesellschafterbeschluss, in dem der Anstellungsvertrag des bisherigen Geschäftsführers bis zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt befristet und zugleich die Bestellung zweier neuer Geschäftsführer mit Wirkung bis zu diesem bzw. auf diesen Zeitpunkt geregelt wird, kann ungeachtet der fehlenden rechtlichen Differenzierung zwischen Anstellungsvertrag und Organstellung als terminierte Abberufung des bisherigen Geschäftsführers ausgelegt werden.

4. Unterzeichnet der bisherige Geschäftsführer in der irrtümlichen Annahme, hierzu wegen seiner noch bestehenden Handelsregistereintragung verpflichtet zu sein, nach Ablauf der Frist noch vereinzelt Schriftstücke "als Geschäftsführer", kann darin bei Gesamtwürdigung aller Umstände ein Handeln als Vertreter ohne Vertretungsmacht liegen, das den Zeitpunkt seiner wirksamen Abberufung nicht in Frage stellt.

 

Normenkette

AO § 34 Abs. 1, § 69 S. 1, § 191 Abs. 1; GmbHG § 6 Abs. 3, § 35 Abs. 1 S. 1, § 39 Abs. 1, § 46 Nr. 5, § 47 Abs. 1, §§ 48, 53 Abs. 3; BGB §§ 133, 157

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger zu Recht für Lohnsteuerschulden der B GmbH…in Haftung genommen wurde.

Die B GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 20.12.2012 gegründet. .... Der Gesellschaftsvertrag enthält keine namentliche Benennung der Geschäftsführer, sondern beschreibt deren Rechtsstellung lediglich allgemein.

Zum Geschäftsführer wurde der Kläger bestellt, und zwar zunächst neben weiteren Personen und ab Mitte 2017 als alleiniger Geschäftsführer. Gesellschafter waren ab Mai 2018 der Kläger und Herr E zu jeweils 50 %. Das Stammkapital betrug 50.000 €.

Mit notariellem Vertrag vom 15.04.2019 ...erwarb die C GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer Dr. A , den 50%-Punkte-Anteil des Herrn E sowie einen 5%-Punkte-Anteil vom Kläger. Die dingliche Übertragung der Geschäftsanteile erfolgte aufschiebend bedingt durch die vollständige Zahlung des jeweiligen - sofort fälligen - Kaufpreises. Die Veränderung des Gesellschafterbestands dergestalt, dass der Kläger zu 45 % und die C GmbH zu 55 % am Stammkapital beteiligt seien, wurde dem Handelsregister am 27.06.2019 angezeigt.

In dem notariellen Übertragungsvertrag vom 15.04.2019 wird zum einen auf einen Gesellschafterbeschluss vom 15.04.2019 und zum anderen auf einen sog. „Letter of Intent“ Bezug genommen. In dem Gesellschafterbeschluss vom 15.04.2019, der von dem Kläger und Herrn E gefertigt wurde, heißt es u.a. wie folgt [Fettdruck nicht im Original]:

„4. Herr Dr. A wird zum 01.05.2019 zum Geschäftsführer bestellt. Er ist einzelvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Er ist intern für den Bereich Finanzen und Administration der Gesellschaft zuständig. Ab dem 01.07.2019 übernimmt er den Vorsitz der Geschäftsführung.

5. Herr E wird zum 01.07.2019 zum Geschäftsführer bestellt. Er vertritt die Gesellschaft in Gemeinschaft mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen.…Herr E ist intern für den Bereich Vertrieb und Organisationsentwicklung zuständig.

...

7. Herr G wird als Senior Berater nach Beendigung seines Amtes als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft zum 01. Juli 2019 tätig werden.“

Der Letter of Intent trägt ebenfalls das Datum 15.04.2019 und wurde von dem Kläger, Herrn E und Herrn Dr. A in dessen Eigenschaft als Geschäftsführer der C GmbH unterschrieben. Es heißt dort u.a. wie folgt [Fettdruck nicht im Original]:

„Weiterhin ist eine kurzfristige Bestellung von Dr. A als Geschäftsführer Finanzen & Administration der B GmbH geplant. ...

Nach Ablauf des Geschäftsführervertrags von G zum 30. Juni 2019 ist geplant, E als Geschäftsführer Vertrieb & Personal zu bestellen, alternativ ihm eine Leitungsfunktion mit Verantwortung für die Geschäfts- und Beratungsentwicklung der B GmbH in Deutschland zu übertragen. ...

Ab dem 01. Juli 2019 wird G weiterhin als festangestellter Senior Berater für die B GmbH tätig sein, um akquisitorisch und in der Beratung zu unterstützen, ebenso in der Weiterentwicklung der Beratungsrichtlinien und der Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Sein wertvoller Erfahrungsschatz und sein Netzwerk plant er so im Sinne der Unternehmensnachfolge auch über den 30. Juni 2019 hinaus einzubringen. ...“

Im Handelsregister war -- auch über den 30.06.2019 hinaus -- allein der Kläger als Geschäftsführer eingetragen. Am 18.11.2019 stellte die B GmbH einen Insolvenzantrag, woraufhin mit Beschluss vom 19.12.2019 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wurde. Durch Beschluss des Amtsgerichts Y-Stadt vom 23.03.2020 ...wurde so...

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