Entscheidungsstichwort (Thema)

Überschreitung der verlängerten Steuererklärungsfristen aufgrund der Corona-Pandemie

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein Verspätungszuschlag ist auch dann gemäß § 152 Abs. 2 Nr. 1 AO zwingend im Wege einer gebundenen Entscheidung festzusetzen, wenn eine Steuererklärung für den Besteuerungszeitraum 2019 erst nach dem Ablauf der aufgrund der Corona-Pandemie bis zum 31.08.2021 gewährten gesetzlichen Fristverlängerung eingereicht wird.
  2. Die Rückausnahme im Sinne des § 152 Abs. 3 Nr. 1 AO, wonach ein Verspätungszuschlag nach Gewährung einer Fristverlängerung nur aufgrund einer Ermessensentscheidung festgesetzt werden darf, greift nur bei vom Finanzamt bewilligten individuellen Fristverlängerungen ein.
  3. Auch aus der in Abschnitt II.7 der FAQ „Corona“ (Steuern) vom 14.12.2021 für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags vorgesehenen Einzelfallprüfung ergibt sich kein Anspruch auf die Festsetzung durch Ermessensentscheidung.
 

Normenkette

AO §§ 109, 149 Abs. 3, § 152 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1; EGAO Art. 97 § 36 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2019

 

Tatbestand

Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen die Festsetzung eines Verspätungszuschlags i.H.v. 100 € aufgrund der verspäteten Abgabe der Gewerbesteuererklärung für 2019.

Der Kläger hat seine Gewerbesteuererklärung für 2019 unter Mitwirkung eines Steuerberaters, seines derzeitigen Prozessbevollmächtigten, am 28.12.2021 eingereicht, ohne zuvor beim beklagten Finanzamt eine Verlängerung der Abgabefrist beantragt und ohne bei Einreichung der Erklärung Entschuldigungsgründe für die Verspätung dem Finanzamt mitgeteilt zu haben.

Das beklagte Finanzamt hat zusammen mit dem Bescheid für 2019 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 07.04.2022 einen Verspätungszuschlag i.H.v. 100 € gegen den Kläger festgesetzt.

Gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags hat der Kläger unter dem 11.04.2022 Einspruch eingelegt und die Aufhebung des Verspätungszuschlags beantragt.

Zur Begründung des Einspruchs hat der Kläger vorgetragen, aufgrund der erheblichen Mehrbelastung aufgrund der Corona-Krise sei es seinem Steuerberater nicht möglich gewesen, die Steuererklärung fristgemäß einzureichen. Die Corona-Krise habe zu einer Arbeitsüberlastung der Steuerberatungskanzlei geführt, die das Finanzamt bei der Festsetzung des Verspätungszuschlags nicht hinreichend berücksichtigt habe.

Gemäß der FAQ's „Corona“ mit Stand vom 14.12.2021 II Nr. 7 könne das Finanzamt von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei einer nicht fristgerecht eingereichten Steuererklärung absehen, dies sei unter Berücksichtigung der seinerzeitigen Situation unter Berücksichtigung der Corona-Krise im Einzelfall zu prüfen.

Das beklagte Finanzamt hat im Einspruchsverfahren durch Schreiben vom 28.04.2022 dem Kläger seine Rechtsauffassung in Bezug auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 152 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) mitgeteilt und darauf hingewiesen, dass eine weitergehende, über die gesetzliche Fristverlängerung hinausgehende Fristverlängerung nicht beantragt worden sei und die vom Kläger in seinem Einspruchsschreiben vom 11.04.2022 vorgetragenen Entschuldigungsgründe - Arbeitsüberlastung in der Steuerberatungskanzlei - nicht ausreichend seien, da es sich hier nicht um einen besonders gelagerten Ausnahmefall handele.

Das Finanzamt hat den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 27.06.2022 als unbegründet zurückgewiesen. Es vertritt unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 28.04.2022 die Auffassung, dass vorliegend gemäß § 152 Abs. 2 AO der Verspätungszuschlag obligatorisch festzusetzen gewesen sei, ohne dass das Finanzamt in diesem Fall eine Ermessensentscheidung hätte treffen können. Die Frist für die Abgabe der Gewerbesteuererklärung für 2019 sei am 31.08.2021 abgelaufen. Die erst am 28.12.2021 eingereichte Gewerbesteuererklärung sei somit mit vier Monaten Verspätung eingereicht worden. Unter Berücksichtigung des § 152 Abs. 2 i.V.m. Abs. 6 S. 1 AO betrage der Verspätungszuschlag für jeden angefangenen Monat der eingetragenen Verspätung 25 €, weshalb die Festsetzung i.H.v. 100 € rechtmäßig sei.

Der Gesetzgeber habe der Corona-Krise dadurch Rechnung getragen, dass für den Veranlagungszeitraum 2019 nach Art. 97 § 36 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO - in der Fassung vom 15.02.2021 (Sonderregelungen aufgrund der Corona-Pandemie) die Gewerbesteuererklärung bis zum 31.08.2021 abzugeben gewesen sei. Diese gesetzliche Fristverlängerung sei bei der Festsetzung des Verspätungszuschlags zutreffend beachtet worden. Eine weitergehende Fristverlängerung sei gemäß § 109 Abs. 2 dann möglich, wenn der Steuerpflichtige oder sein Vertreter oder Erfüllungsgehilfe nachweislich ohne Verschulden gehindert gewesen seien, die Steuererklärungsfrist einzuhalten. Die Arbeitsüberlastung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe könne für sich allein nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen eine Fristverlängerung über den 31.08.2021 hinaus rechtfertigen. Ein solcher Antrag auf Fristverlängerung sei in dem vorliegen...

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