Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung (Einkommensteuer 1997)

 

Tenor

Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1997 vom 18.1.1999 wird bis einen Monat nach Ergehen einer erstinstanzlichen Entscheidung über die gegen diesen Bescheid erhobene Klage ausgesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Antragstellerin ist niederländische Staatsangehörige mit Wohnsitz in den Niederlanden. Sie erzielte in den Niederlanden einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von 38.748 Hfl, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von 4.246 Hfl und ein zu versteuerndes Einkommen von 10.053 Hfl.

Die Antragstellerin ist in der Bundesrepublik an der „A” Gesellschaft bürgerlichen Rechts – GbR – in „X” beteiligt. Für die GbR wurden Einkünfte aus selbständiger Arbeit gesondert und einheitlich festgestellt. Der Antragstellerin wurde ein Anteil von 4.623,48 DM zugerechnet.

Der Antragsgegner führte auf der Grundlage dieser Feststellung die Veranlagung zur Einkommensteuer durch. Er legte die Einkünfte von 4.623 DM zu Grunde, berücksichtigte einen vortragsfähigen Verlust aus dem Vorjahr in Höhe von 4.276 DM, berechnete das zu versteuernde Einkommen auf 347 DM und setzte die Einkommensteuer nach § 50 Abs. 3 Satz 2 EinkommensteuergesetzEStG – auf 85 DM fest.

Nach Zurückweisung ihres Einspruchs und ihres beim Antragsgegner gestellten Antrags auf Aussetzung der Vollziehung hat die Antragstellerin Klage erhoben und einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht gestellt. Sie begehrt die Veranlagung unter Zugrundelegung des normalen Einkommensteuertarifs nach §§ 32 a EStG und verweist auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs – EuGH – vom 27.6.1996 in der Rechtssache Asscher.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1997 bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er gesteht der Antragstellerin zu, daß der dem Asscher-Urteil zugrundeliegende Sachverhalt mit dem vorliegenden vergleichbar sei. Eine Aussetzung der Vollziehung könne aber nur erfolgen, soweit die Antragstellerin gegenüber einem unbeschränkt Steuerpflichtigen diskriminiert werde. Berücksichtige man bei der Berechnung des Steuersatzes neben dem inländischen zu versteuernden Einkommen von 347,– DM die ausländischen Einkünfte von 42.994 Hfl. ergebe sich auf ein zu versteuerndes Einkommen von 38.264,– DM ein Steuersatz von 19,4 % und anstelle einer Steuer von 85,– DM eine solche von 67,– DM. Der Antragsgegner gibt zu bedenken, daß für einen Mindeststeuersatz anstelle eines Progressionsvorbehalts verwaltungsökonomische Gründe sprächen und verweist auf die Entscheidung des EuGH vom 14.09.1999 – C 391/97 – in der Rechtssache Gschwind.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO – begründet.

An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides bestehen ernstliche Zweifel. Es ist zweifelhaft, ob die Regelung des § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG, auf die sich die Steuerfestsetzung stützt, nicht gegen EG-Recht verstößt.

1. Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom 27.6.1996 mit der Diskriminierung von gebietsfremden Steuerpflichtigen befasst, die nicht die Gesamtheit oder nahezu die Gesamtheit ihrer Einkünfte in dem Staat erzielen, in dem sie arbeiten, ohne dort zu wohnen. Dem Urteil lag die Rechtssache Asscher zu Grunde. Herr Asscher, ein niederländischer Staatsangehöriger, der in Belgien wohnte, ging sowohl in den Niederlanden als auch in Belgien einer selbständigen Tätigkeit nach. Nach der Regelung in den Niederlanden konnte ein nicht ansässiger Steuerpflichtiger nur dann einem Gebietsansässigen gleichgestellt werden, wenn sein Welteinkommen vollständig oder nahezu vollständig aus in den Niederlanden zu versteuernden Einkünften bestand. Diese Voraussetzung galt dann als erfüllt, wenn der Steuerpflichtige in den Niederlanden nach der Regelung der allgemeinen Sozialversicherung der Beitragspflicht unterlag. Dies traf auf Herrn Asscher nicht zu, weshalb er einem höheren Tarif unterworfen wurde. Der EuGH hat in seiner Entscheidung zunächst die in der Rechtssache Schumacker entwickelte Rechtsauffassung wiederholt: Die Tatsache, daß ein Mitgliedstaat einem Steuerpflichtigen, der in seinem Gebiet arbeite, ohne dort zu wohnen, an die Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstandes geknüpfte Steuervergünstigungen versage, während er sie gebietsansässigen Steuerpflichtigen gewähre, stelle eine Diskriminierung dar, wenn der Gebietsfremde die Gesamtheit oder praktisch die Gesamtheit seines Welteinkommens in seinem Staat erziele, da die im Wohnstaat erzielten Einkünfte nicht hoch genug seien, um eine Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstandes zu ermöglichen. Der EuGH befasst sich sodann mit dem gebietsfremden Steuerpflichtigen, der nicht die Gesamtheit oder praktisch die Gesamtheit seiner Einkünfte in dem Staat erzielt, in dem er arbeitet, ohn...

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