Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtanwendung des Ehegattensplitting auf beschränkt Steuerpflichtige zulässig, wenn das Gesamteinkommen der Ehegatten nicht zu mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegt

 

Leitsatz (amtlich)

Artikel 48 Absatz 2 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 Artikel 2 EG) ist dahin auszulegen, daß er der Anwendung einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die gebietsansässigen Eheleuten eine Steuervergünstigung wie diejenige, die sich aus der Anwendung des Splitting-Verfahrens ergibt, gewährt, die Gewährung dieser Steuervergünstigung an gebietsfremde Eheleute jedoch davon abhängig macht, daß mindestens 90 % ihres Welteinkommens in diesem Staat der Steuer unterliegen oder, wenn dieser Prozentsatz nicht erreicht wird, daß ihre in diesem Staat nicht der Steuer unterliegenden ausländischen Einkünfte einen bestimmten Betrag nicht überschreiten, und damit die Möglichkeit offen hält, ihre persönliche Lage und ihren Familienstand in ihrem Wohnsitzstaat zu berücksichtigen.

 

Normenkette

EWGVtr Art. 48 Abs. 2

 

Beteiligte

Gschwind

Frans Gschwind

Finanzamt Aachen-Außenstadt

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

"Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) - Gleichbehandlung - Gebietsfremde - Einkommensteuer - Veranlagung von Verheirateten"

In der Rechtssache C-391/97

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Finanzgericht Köln (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Frans Gschwind

gegen

Finanzamt Aachen-Außenstadt,

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG)

erläßt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten P. J. G. Kapteyn, G. Hirsch und P. Jann sowie der Richter C. Gulmann, J. L. Murray, D. A. O. Edward, H. Ragnemalm, L. Sevón, M. Wathelet (Berichterstatter) und R. Schintgen,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer

Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- von F. Gschwind, vertreten durch Steuerberater W. Kaefer, Aachen,

- des Finanzamts Aachen-Außenstadt, vertreten durch Regierungsdirektor J. Viehöfer vom Finanzamt Aachen-Außenstadt,

- der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat E. Röder und Regierungsdirektor C.-D. Quassowski, beide Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigte,

- der belgischen Regierung, vertreten durch J. Devadder, Verwaltungsdirektor im Juristischen Dienst des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit, als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Michard, Juristischer Dienst, im Beistand von A. Buschmann, im Rahmen des Austauschs mit nationalen Beamten zum Juristischen Dienst der Kommission abgeordneter deutscher Beamter, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von F. Gschwind, vertreten durch W. Kaefer, im Beistand von G. Saß, des Finanzamts Aachen-Außenstadt, vertreten durch E. Marx, Leitender Regierungsdirektor im Finanzamt Aachen-Außenstadt, der deutschen Regierung, vertreten durch C.-D. Quassowski, der niederländischen Regierung, vertreten durch J. S. van den Oosterkamp, stellvertretender Rechtsberater im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten, und der Kommission, vertreten durch A. Buschmann, in der Sitzung vom 26. Januar 1999,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. März 1999,

folgendes

Urteil

1.

Das Finanzgericht Köln hat mit Beschluß vom 27. Oktober 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 17. November 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) eine Frage nach der Auslegung von Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Frans Gschwind (Kläger) und dem Finanzamt Aachen-Außenstadt (Finanzamt) über die Besteuerung der in Deutschland erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Der nationale rechtliche Rahmen

3.

Das deutsche Einkommensteuerrecht sieht eine je nach Wohnsitz des Steuerpflichtigen unterschiedliche Besteuerung vor. Nach § 1 Absatz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sind natürliche Personen, die in Deutschland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, dort mit ihrem gesamten Welteinkommen steuerpflichtig ("unbeschränkte Steuerpflicht"). Demgegenüber sind natürliche Personen, die weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, gemäß § 1 Absatz 4 EStG nur für die in Deutschland erzielten Einkünfte einkommensteuerpflichtig ("beschränkte Steuerpflicht"). Diese deutschen Einkünfte umfassen gemäß § 49 Absatz 1 Nummer 4 EStG die Einkünfte aus einer in Deutschland ausgeübten nichtselbständigen Arbeit.

4.

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