Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Verpflichtung zur erneuten Anmeldung von Kapitalertragsteuer nach Aufhebung einer ordnungsgemäßen und zutreffenden Kapitalertragsteueranmeldung durch überlagernden Steuerbescheid

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ist ein Entrichtungsschuldner seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steueranmeldung nicht oder nicht ordnungsgemäß nachgekommen, kann er entweder durch Haftungsbescheid oder durch Nachforderungsbescheid in Anspruch genommen werden; der Finanzbehörde steht insoweit ein Wahlrecht zu.

2. Auch das Vorgehen über einen Nachforderungsbescheid ändert nichts daran, dass es sich materiell-rechtlich um die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs handelt mit der Folge, dass die tatbestandlichen Erfordernisse der einschlägigen Haftungsnorm zu beachten sind.

3. Auch die vollständige Aufhebung der mittels Steueranmeldung festgesetzten Steuer durch das FA unterfällt dem Regelungsgehalt des § 167 Abs. 1 S. 1 AO.

4. Bei summarischer Prüfung besteht keine Verpflichtung zur erneuten Anmeldung von Kapitalertragsteuer, nachdem das FA eine ordnungsgemäße und zutreffende Kapitalertragsteueranmeldung durch überlagernden Steuerbescheid aufgehoben hat.

 

Normenkette

AO §§ 155, 167 Abs. 1 S. 1, §§ 168, 191 Abs. 1, § 153 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EStG § 44 Abs. 5, § 43 Abs. 1 Nr. 1, § 43a; FGO § 69 Abs. 3, 2 S. 2

 

Tenor

Die Vollziehung des Bescheides über Kapitalertragsteuer für 2000 vom 1. Dezember 2009 wird seit Antragseingang bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

Die Beschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin ist eine geschäftsleitende Holdinggesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Mit notariellem Vertrag vom 2. November 2000 erhöhte sie ihr Stammkapital (2.493.050 EUR) um 1.500 EUR. Diese neue Stammeinlage wurde als so genannter „Vorzugsgeschäftsanteil” zu einem Ausgabepreis von 24.802.000 DM ausgegeben und von der G-GmbH… übernommen. Auf den Vorzugsgeschäftsanteil entfiel eine Vorzugsdividende i.H.v. 23.148.000 DM. Diese am 6. Dezember 2000 beschlossene Gewinnausschüttung erfolgte für das Geschäftsjahr 1999. Für die Ausschüttung wurden der um die ausschüttungsbedingte Körperschaftsteuerminderung erhöhte Bilanzgewinn sowie Gewinnrücklagen verwendet.

Die Dividende wurde am 15. Dezember 2000 gezahlt. Die Antragstellerin meldete die entsprechende Kapitalertragsteuer i.H.v. 5.787.000 DM nebst Solidaritätszuschlag mit der Kapitalertragsteueranmeldung für Januar 2001 (die der Antragsgegner zu Recht als Anmeldung für Dezember 2000 deutete, da sie bereits am 10. Januar 2001 einging und als Auszahlungsdatum den 15. Dezember 2000 benannte) beim Antragsgegner an und führte die entsprechenden Beträge an diesen ab. Die sich aus der Ausschüttung ergebende Körperschaftsteuerminderung von knapp 5 Mio. DM wurde im Körperschaftsteuerbescheid 1999 vom 9. März 2001 zunächst erklärungsgemäß berücksichtigt.

Nachdem das für die Besteuerung der G-GmbH zuständige Finanzamt dem Antragsgegner mitgeteilt hatte, dass die ausgewiesenen Gewinnausschüttungen jedoch nicht als Einlage und Gewinnausschüttung sondern als Darlehensrückzahlung zu werten seien, änderte der Antragsgegner am 25. Juli 2002 den weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO stehenden Körperschaftsteuerbescheid für 1999 und machte die Körperschaftsteuerminderung rückgängig. Der Bescheid blieb unangefochten.

Mit Bescheid vom 9. Juli 2002 hob der Antragsgegner die Kapitalertragsteueranmeldung für Dezember 2000 nach §§ 168, 164 Abs. 2 AO auf und teilte der Antragstellerin mit, die gezahlte Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag könne nur auf Antrag zurückerstattet werden. Darauf hin stellte die Antragstellerin einen solchen Antrag am 8. August 2002 und erhielt die Kapitalertragsteuer – nach teilweiser Verrechnung – erstattet.

Die Antragstellerin forderte die G-GmbH in der Folgezeit auf, die Steuerbescheinigung über die Gewinnausschüttung zurückzugeben und informierte – nachdem dies nicht geschah – sowohl den Antragsgegner als auch das für die G-GmbH zuständige Finanzamt hierüber.

Mit Bescheid vom 1. September 2004 hob der Antragsgegner neben weiteren hier nicht relevanten Änderungen den Vorbehalt der Nachprüfung im Körperschaftsteuerbescheid 1999 auf. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein. Dieser richtete sich gegen die vom Antragsgegner vorgenommene Beurteilung der Vorzugsdividende als Darlehensrückzahlung. Das Einspruchsverfahren ruhte antragsgemäß im Hinblick auf das in einem gleichgelagerten Fall anhängige Revisionsverfahren (I R 97/05).

Nachdem der BFH mit Urteil vom 28. Juni 2006 (I R 97/05, BFH/NV 2006, 2083) bestätigte, dass es sich in derartigen Gestaltungsfällen bei den Vorzugsdividenden um Gewinnausschüttungen und nicht um Darlehensrückzahlungen handelt, gab der Antragsgegner dem Einspruch statt und erließ am 1. Dezember 2009 einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid.

Mit auf § 174 Abs. 4 AO gestütztem...

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