Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine erneute Anmeldung von Kapitalertragsteuer nach unberechtigter Aufhebung der Anmeldung durch das FA. Kapitalertragsteuer auf Dividenden. Inanspruchnahme des Entrichtungsschuldners durch Haftungs- oder Nachforderungsbescheid. Bestimmtheit. Anwendung von § 174 Abs. 4 AO gegenüber Steuerentrichtungsschuldner einerseits und Steuerschuldner andererseits

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Verpflichtung zur erneuten Anmeldung von Kapitalertragsteuer besteht nicht, wenn das FA eine ordnungsgemäße und zutreffende Kapitalertragsteueranmeldung aus Gründen aufgehoben hat, die sich später als unrichtig herausstellen.

2. Das Wahlrecht, einen Entrichtungsschuldner, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steueranmeldung nicht oder nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist, entweder durch Haftungsbescheid oder aber durch Steuerbescheid in Gestalt eines Nachforderungsbescheids in Anspruch zu nehmen, steht der Finanzverwaltung nicht nur in den Fällen zu, in denen die Besteuerungsmerkmale in vollem Umfang geschätzt werden müssen, sondern auch in den Fällen, in denen sachverhaltsbezogen eine Nachforderung geltend gemacht wird.

3. Bei der Nachforderung von Kapitalertragsteuer vom Entrichtungsschuldner geht es um die Schuld des Vergütungsschuldners, die Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen. Der Entrichtungsschuldner ist in diesem Falle nicht Steuerschuldner, sondern Haftungsschuldner.

4. Die materiell-rechtliche Gleichbehandlung von Haftungs- und Nachforderungsbescheid hat zur Folge, dass es für die Bestimmtheit und damit die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes ausreicht, wenn in ihm der Entrichtungsschuldner, der zugleich Haftungsschuldner ist, bezeichnet ist.

5. Die (originäre) Pflicht des Schuldners der Kapitalerträge zur Anmeldung und Abführung von Kapitalertragsteuer auf Dividenden gemäß §§ 43 ff. EStG besteht nur im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Durchführung einer Gewinnausschüttung.

6. Es spricht einiges dafür, § 174 Abs. 4 AO auch anzuwenden, wenn es nicht um denselben Steuerschuldner, sondern um den Steuerentrichtungsschuldner einerseits und den Steuerschuldner andererseits geht. Der Entrichtungsschuldner ist insoweit nicht Dritter i. S. d. § 174 Abs. 5 AO.

 

Normenkette

EStG § 43 Abs. 1, § 44 Abs. 1, 5; AO § 191 Abs. 1, § 167 Abs. 1 S. 1, §§ 155, 33 Abs. 1, §§ 119, 174 Abs. 4-5

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.04.2014; Aktenzeichen I R 51/12)

 

Tenor

1. Der Bescheid zur Kapitalertragsteuer für 2000 vom … 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … 2011 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine … in der Rechtsform einer GmbH. Mit notariellem Vertrag vom … 2000 erhöhte sie ihr Stammkapital (… EUR) um 1.500 EUR. Diese neue Stammeinlage wurde als so genannter „Vorzugsgeschäftsanteil” zu einem Ausgabepreis von … DM ausgegeben und von der Gesellschaft … […KG” – nachfolgend: R] übernommen. Auf den Vorzugsgeschäftsanteil entfiel eine Vorzugsdividende i.H.v. … DM. Diese am …Dezember 2000 beschlossene Gewinnausschüttung erfolgte für das Geschäftsjahr 1999. Für die Ausschüttung wurden der um die ausschüttungsbedingte Körperschaftsteuerminderung erhöhte Bilanzgewinn sowie Gewinnrücklagen verwendet (Bilanz-Erläuterung 2000, Bil 2000, Bl. 11).

Die Dividende wurde am … Dezember 2000 gezahlt. Die Klägerin meldete die entsprechende Kapitalertragsteuer i.H.v. X DM nebst Solidaritätszuschlag mit der Kapitalertragsteueranmeldung für Januar 2001 (die der Beklagte als Anmeldung für Dezember 2000 deutete, da sie bereits am 10. Januar 2001 einging und als Auszahlungsdatum den 15. Dezember 2000 benannte) beim Beklagten an und führte die entsprechenden Beträge an diesen ab (vgl. KapSt, Bl. 4). Die sich aus der Ausschüttung ergebende Körperschaftsteuerminderung von knapp … DM wurde im Körperschaftsteuerbescheid 1999 vom … 2001 zunächst erklärungsgemäß berücksichtigt.

Nachdem das für die Besteuerung der R zuständige Finanzamt dem Beklagten mitgeteilt hatte, dass die ausgewiesenen Gewinnausschüttungen nicht als Einlage und Gewinnausschüttung sondern als Darlehensrückzahlung zu werten seien, änderte der Beklagte am … Juli 2002 den weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 AO stehenden Körperschaftsteuerbescheid für 1999 und machte die Körperschaftsteuerminderung rückgängig. Der Bescheid blieb unangefochten.

Mit Bescheid vom … Juli 2002 (KapSt Bl. 8) hob der Beklagte die Kapitalertragsteueranmeldung für Dezember 2000 nach §§ 168, 164 Abs. 2 AO auf und teilte der Klägerin mit, die gezahlte Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag könne nur auf Antrag zurückerstattet werden. Daraufhin stellte die Klägerin einen solchen Ant...

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