Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für Lohnsteuer 1990

 

Tenor

Der Haftungsbescheid vom 11.02.1992 und die Einspruchsentscheidung vom 25.10.1994 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluß:

Der Streitwert wird festgesetzt auf DM 79.374,–.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Gründe

Die Klägerin zahlte in der zweiten Jahreshälfte 1990 an ihre Arbeitnehmer DM 377.385,– Jahresendprämien aus, die sie nicht der Lohnsteuer unterwarf. Der in der Bilanz zum 30.06.1990 ausgewiesene Prämienfonds belief sich auf Mark der DDR (M) 77.803,96. Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung gelangten die Außenprüfer des Beklagten zu der Auffassung, daß von den Jahresendprämien, soweit sie über den im Verhältnis 2: 1 umgerechneten Betriebsprämienfonds von DM 38.982,– (M 77.803,96: 2 = DM 38.982,–) hinaus geleistet worden seien, im Jahr 1990 Lohnsteuer hätte einbehalten werden müssen. Weiterhin beanstandeten die Außenprüfer die unversteuerte Auszahlung von Aushilfslöhnen, Jubiläumszuwendungen und Essenszuschüssen im Jahr 1991.

Im Rahmen der Abschlußbesprechung stellte die Klägerin auf einem Vordruck des Beklagten den Antrag, Zahlungen für „Teilzeitbeschäftigungen” und „sonstige Bezüge” mit den entsprechenden Pauschalsteuersätzen gemäß §§ 40, 40a, 40b Einkommensteuergesetz (EStG) zu versteuern; in dem Antrag wurde die Klägerin auch darauf hingewiesen, daß sie mit der Pauschalierung Schuldnerin der Lohnsteuer werde und diese zu übernehmen habe. Weiterhin hieß es in dem von dem Vertreter der Klägerin unterschriebenen Vordruck:

„Soweit für mich ein Steuerschuldverhältnis nicht entstanden ist, erkläre ich mich zur Übernahme der entsprechenden Steuerbeträge einverstanden.”

Der Beklagte ermittelte – ausgehend von einem Proportionalsteuersatz von 19 % – einen Nettosteuersatz von 23,45 % und berechnete die Lohnsteuer mit einem Betrag von DM 79.374,25 (DM 377.385,– Auszahlung ./. Betriebsprämienfonds DM 38.982,– = DM 338.483,– × 23,45 % Pauschalsteuersatz = DM 79.374,25).

Mit Datum vom 11.02.1992 erließ der Beklagte einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid. Mit dem Haftungsbescheid nahm der Beklagte die Klägerin hinsichtlich der auf die Jahresendprämien entfallenden Lohnsteuer in Höhe von DM 79.374,25 für das Jahr 1990 gemäß § 42 d EStG in Anspruch. In der Begründung des Haftungsbescheides hieß es, daß die Klägerin hafte, weil sie Lohnsteuer in unzutreffender Höhe einbehalten und abgeführt habe; die Klägerin werde als Haftende an Stelle des jeweiligen Arbeitnehmers in Anspruch genommen, weil ein Haftungsausschluß nicht vorliege und sie sich hiermit einverstanden erklärt habe. Die Begründung nahm der Beklagte in der Weise vor, daß er jeweils eine von mehreren, auf dem Haftungsbescheid aufgedruckten Begründungsmöglichkeiten ankreuzte.

Mit dem auf § 40, § 40 a, § 40 b EStG gestützten Nachforderungsbescheid setzte der Beklagte Lohnsteuer für das Jahr 1991 hinsichtlich der o.g. Aushilfslöhne, Jubiläumszuwendungen und Essenszuschüsse fest.

Gegen den Haftungsbescheid legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Sie begründete diesen damit, daß die unzureichende Ausstattung des Betriebsprämienfonds eine unbedachte und ungewollte Nebenwirkung der Übernahme bundesdeutscher Bilanzierungsvorschriften gewesen sei. Eine Aufstockung des Fonds nach dem 30.06. 1990 sei nicht mehr möglich gewesen. Es habe jedoch dem Willen des Gesetzgebers entsprochen, die bis zum 30.06.1990 lohnsteuerfreien Gehaltszahlungen auch bis zum Jahresende steuerfrei zu belassen.

Die Einführung der bundesdeutschen Bilanzierungsvorschriften, die eine Bildung eines Betriebsprämienfonds nicht vorgesehen hätten, habe dem nicht entgegenstehen können, da die Aufhebung der Lohnsteuerfreiheit im Hinblick auf den geschaffenen Vertrauenstatbestand nur ausdrücklich hätte erfolgen können. Selbst bei Lohnsteuerpflicht erweise sich der Haftungsbescheid aber als rechtswidrig, da für jeden einzelnen Arbeitnehmer die individuelle Lohnsteuer hätte ermittelt werden müssen. Weiterhin sei die Inanspruchnahme als Haftende ermessensfehlerhaft erfolgt, da sie, die Klägerin, sich bei Auszahlung der Jahresendprämien in einem entschuldbaren Rechtsirrtum hinsichtlich der Lohnsteuerfreiheit befunden habe.

Mit Einspruchsentscheidung vom 25.10.1994 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Da die Zahlung der Jahresendprämien nicht aus dem Betriebsprämienfonds erfolgt sei, sei die Voraussetzung der Steuerfreiheit nach § 3 Abs. 2 Nr. 8 der Verordnung über die Besteuerung des Arbeitseinkommens – AStVO – nicht erfüllt. Die Haftung der Klägerin ergebe sich aus § 20 Abs. 4 AStVO, wonach die Klägerin für die ordnungsgemäße Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer hafte. Die Pauschalierung der Lohnsteuer f...

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