Entscheidungsstichwort (Thema)

Familienleistungsausgleich

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.05.2001; Aktenzeichen VI R 49/98)

 

Tenor

1. Der Aufhebungsbescheid vom 20. Februar 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. August 1997 wird aufgehoben.

2. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

4. Die Kostenentscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Gründe

Der Kläger ist Sozialhilfeträger. Er begehrt für das am 10. Dezember 1964 geborene Kind A… die Zahlung von Kindergeld an sich aus gemäß § 90 BSHG übergeleitetem Anspruch.

Das Kind ist seit Geburt behindert. Mit Bescheid vom 24. Oktober 1972 wurde eine Behinderung von 100 % mit den Merkzeichen „G”, „H” und „RF” festgestellt. Es ist stationär in einem Heim untergebracht und erzielt dort monatliche Einkünfte in Höhe von DM 157,70. Der Kläger leistet an das Kind Eingliederungshilfe für Behinderte nach den §§ 39 ff. BSHG.

Der Beklagte bewilligte zunächst für das Kind Kindergeld. Mit an die Mutter des Kindes gerichteten Bescheid vom 20. Februar 1997 hob der Beklagte die Bewilligung von Kindergeld unter Hinweis auf die an das Kind geleistete Eingliederungshilfe für Behinderte mit Wirkung zum 01. Januar 1997 auf. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein, den der Beklagte als unbegründet zurückwies.

Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt

den Aufhebungsbescheid vom 20. Februar 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. August 1997 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Der Kläger ist gemäß § 91 a BSHG klagebefugt (i.E. ebenso FG Niedersachsen vom 15. April 1997 VI 587/96 Ki, EFG 1997, 1213; FG Münster vom 15. September 1997 1 K 2187/97 Kg, n.v.; Berlebach, Familienleistungsausgleich, § 74 Rdnr. 32; a.A. FG Bremen vom 14. Mai 1997 4 97 022 K 1, n.v.; FG Schleswig-Holstein vom 13. August 1997 II 404/97, n.v.; FG Schleswig-Holstein vom 10. September 1997 II 765/97, n.v.). Nach dieser Vorschrift kann der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben.

Das Kindergeld ist jedenfalls im Verhältnis zu anderen Sozialleistungsträgern als – vorrangige – Sozialleistung anzusehen, da anderenfalls § 74 Abs. 5 EStG leerliefe (FG Bremen vom 25. März 1997 4 96 156 K 1, EFG 1997, 766, 767). Die Familienkasse ist entsprechend als – vorrangig verpflichteter – Leistungsträger anzusehen (FG Bremen aaO., 767 f.).

Die Erstattungsberechtigung des Klägers ergibt sich hier aus § 74 Abs. 5 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 und 2 SGB X. § 74 Abs. 5 EStG bestimmt, daß für Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse die §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 SGB X entsprechend gelten. Gemäß § 104 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SGB X hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger einen Erstattungsanspruch gegen den vorrangig verpflichteten Leistungsträger, wenn er für einen Angehörigen Sozialleistungen erbracht hat und ein anderer mit Rücksicht auf diesen Angehörigen Anspruch auf Sozialleistungen gegenüber dem vorrangig verpflichteten Leistungsträger hat. Der Kläger ist nachrangig verpflichteter Leistungsträger, da die Leistungen nach dem BSHG gemäß § 2 BSHG stets nachrangig sind. Der Beklagte ist daher als vorrangig Leistungsverpflichteter anzusehen.

2. Der Beklagte hat die Zahlung von Kindergeld für das Kind ab dem 01. Januar 1997 zu Unrecht abgelehnt. Der Kläger hat aus nach § 90 Abs. 1 BSHG übergeleitetem Recht Anspruch auf Kindergeld für das Kind.

Kindergeld wird gemäß §§ 62 Abs. 1, 63 i.V.m. 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 für ein Kind, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ohne Begrenzung hinsichtlich des Alters des Kindes gezahlt.

a. Das Kind ist körperlich, geistig oder seelisch behindert. Ein Kind wird als behindert angesehen, wenn es gemäß §§ 1, 2 SchwbG schwerbehindert oder Schwerbehinderten gleichgestellt ist (Kanzler in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, KStG, § 32 EStG Anm. 116). Das ist der Fall, wenn der Grad der Behinderung mindestens 30 % beträgt. Die Behinderung des Kindes beträgt 100 %.

b. Das Kind ist auch außerstande, sich selbst zu unterhalten. Ein Kind ist außerstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn die Behinderung einer Erwerbstätigkeit des Kindes entgegensteht oder das Kind über hinreichende Einkünfte und Bezüge nicht verfügt (BFH vom 14. Juni 1996 III R 13/94, BStBl. II 1997, 173, 174; Kanzler aaO., Anm. 118).

Das Kind verfügt nicht über hinreichende Einkünfte oder Bezüge, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.

Aus seiner Erwerbstätigkeit erzielt es DM 157,70 im Monat. Dieser Betrag ist nicht geeignet, seinen ...

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