Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuerliches Bankenprivileg bei der Hinzurechnung von Entgelten nach § 8 Nr. 1 GewStG: Im Wesentlichen an Bankgeschäften ausgerichtetes Unternehmen. Konzerndarlehen. Begriff des „Bankgeschäfts” im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 GewStDV. nicht unbedingt rückzahlbares Gelddarlehen kein „Bankgeschäft”

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Grundvoraussetzung für die Annahme eines „Kreditinstituts” im Sinne des § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG, § 19 GewStDV ist, dass es sich um ein im Wesentlichen am Geld- und Kreditverkehr und damit an den eigentlichen Bankgeschäften ausgerichtetes Unternehmen handelt (vgl. BFH, Urteil v. 6.12.2016, I R 79/15, BStBl 2019 II S. 173). Eine wesentliche Ausrichtung an den eigentlichen Bankgeschäften ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Umsatz mit Bankgeschäften sich im Millionenbereich bewegt und die damit erzielten Umsätze auch deutlich höher sind als die Umsätze mit anderen Geschäften.

2. Gelddarlehen innerhalb eines Konzerns sind Kreditgeschäfte im Sinne des § 1 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 KWG, weil das Kreditgeschäft – anders als das Garantiegeschäft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 KWG – nicht auf Geschäfte „für andere” beschränkt ist. Dies gilt auch für Darlehen, welche eine Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft gewährt.

3. Im Rahmen des § 19 Abs. 1 GewStDV gehören nicht nur solche Darlehen zu den Kreditgeschäften, die vollständig oder nahezu vollständig mit Fremdmitteln finanziert worden sind (Abgrenzung zur BFH-Rechtsprechung). Beläuft sich der Anteil des Fremdkapitals an der Bilanzsumme auf rund 40 %, reicht das jedenfalls aus, um die Anwendung von § 19 Abs. 1 GewStDV zu rechtfertigen.

4. Bei systematischer Auslegung von § 19 Abs. 2 Satz 1 GewStDV in einer Zusammenschau mit § 19 Abs. 1 Satz 1 GewStDV ist davon auszugehen, dass Bankgeschäfte im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 GewStDV im Ausgangspunkt nur solche sein können, die unter einen der Tatbestände von § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG fallen.

5. Eine Gelddarlehensforderung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG gehört nicht zu den Aktivposten aus Bankgeschäften im Sinne von § 19 Abs. 2 GewStDV, wenn es an der unbedingten Rückzahlbarkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG fehlt; eine qualifizierte Rangrücktrittsklausel oder die Vereinbarung einer Verlustbeteiligung lassen insoweit die unbedingte Rückzahlbarkeit entfallen.

6. Die wirksame Vereinbarung einer Verlustbeteiligung oder eines qualifizierten Rangrücktritts sind nicht die einzigen Fallgruppen, in denen die Unbedingtheit des Rückzahlungsanspruchs ausgeschlossen ist. Vielmehr ist die Rückzahlbarkeit bei Darlehen an Unternehmer ganz allgemein nicht als unbedingt im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG anzusehen, wenn Vereinbarungen getroffen sind, die den Rückzahlungsanspruch unter einen Vorbehalt stellen und er damit nicht unabhängig vom Geschäftserfolg des Schuldners bestehen soll. Allgemein fehlt es an der Unbedingtheit des Rückzahlungsanspruchs, wenn die Rückzahlungspflicht von einem ungewissen zukünftigen Ereignis, z. B. vom Unternehmenserfolg abhängt.

7. Zur Abgrenzung zwischen einfachen und qualifizierten Rangrücktrittsvereinbarungen im Rahmen von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG kann auf dieselben Grundsätze zurückgegriffen werden, welche auch für die Abgrenzung im Rahmen von § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO und § 39 Abs. 2 InsO gelten, weil eine eigenständige gesetzliche Regelung zu Rangrücktritten im KWG nicht vorhanden ist.

8. Der Zuordnung einer Darlehensforderung zu den Aktivposten aus Bankgeschäften im Sinne des § 19 Abs. 2 GewStDV steht es auch bei Fehlen einer qualifizierten Rangrücktrittsvereinbarung entgegen, wenn Zins- und Tilgungsleistungen nur dann erfolgen müssen, wenn der Schuldner zuvor die Forderungen eines anderen Gläubigers vollständig befriedigt hat. Denn dies ist ein zukünftiges ungewisses Ereignis, das zudem maßgeblich vom Geschäftserfolg des Schuldners abhängt.

 

Normenkette

GewStG § 8 Nr. 1, § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e; GewStDV § 19 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1; KWG § 1 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1-2

 

Tenor

Der Bescheid für 2010 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 26.06.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.01.2020 wird dahingehend geändert, dass der Gewerbesteuermessbetrag ohne Hinzurechnung nach § 8 Nummer 1 Gewerbesteuergesetz i. H. v. 6.466.098,00 EUR festgesetzt wird. Die Berechnung des Gewerbesteuermessbetrags wird gemäß § 100 Absatz 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung dem Beklagten übertragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 60% der Klägerin und zu 40% dem Beklagten auferlegt.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Gegenstand des Rechtss...

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